Wir Schweizerinnen und Schweizer sind stolz auf unser Bildungssystem und unsere tadellose Grundversorgung. Auch die Gesundheit unserer Kinder liegt uns sehr am Herzen. So ist die Wasserflasche im Schulsack von Kindern eine Selbstverständlichkeit: «Trinke regelmässig!» ermahnen wir unseren Nachwuchs. Und: «Wasche deine Hände nach dem Toilettengang!» In unseren Bade- und Schulzimmern fliesst frisches Trinkwasser aus dem Wasserhahn, jederzeit und so viel jedes Kind möchte. Ist die Blase voll, stehen allen Primarschulkindern saubere, geschlechtergetrennte WCs zur Verfügung, die sie jederzeit benutzen können. Danach können sie sich die Hände waschen und dazu die Seife benutzen.
Solche Privilegien können sich die meisten kambodschanischen Kinder nicht einmal erträumen. Kambodschas Bildungssystem leidet auch mehr als 30 Jahre nach dem Ende der Schreckensherrschaft der Roten Khmer unter deren Folgen. Immerhin: Schulpflicht gibt es zwar auch heute noch keine, aber auf Primarschulstufe besuchen fast alle Kinder zumindest unregelmässig den Unterricht. Der Schulbesuch in ländlichen Gebieten bleibt aber begrenzt, auch weil von den Kindern häufig erwartet wird, dass sie auf den Feldern mithelfen. Die Schulen sind besonders auf dem Land in oft desolatem Zustand. Klassenzimmer sind vorhanden. Ihre Notdurft verrichten die Kinder jedoch oft nicht im, sondern hinter dem längst zerfallenen Klo-Häuschen. Möglichkeiten, sich die Hände zu waschen, gibt es meist keine. Und selbst dort, wo noch Wasser vorhanden wäre: Die Kinder verzichten lieber aufs Trinken, um nicht mit einer vollen Blase in Verlegenheit zu geraten, besonders die Mädchen.
Kambodscha hat sich vorgenommen, bis 2023 alle über 7000 Primarschulen des Landes mit sanitären Einrichtungen zu versorgen. In der besonders benachteiligten Provinz Banteay Meanchey erfüllt nur gerade ein Viertel aller 410 Primarschulen die Minimalkriterien. Ganze 58 Schulen haben keine Toilette, 124 verfügen über kein fliessendes Wasser. Trinkwasser steht fast nirgendwo zur Verfügung.
Die fehlende Hygiene hat schwerwiegende Folgen für viele Kinder, aber auch für die Umwelt. Caritas Schweiz erachtet die Situation als inakzeptabel und setzt sich für eine Verbesserung der hygienischen Verhältnisse an den Schulen ein.
Pilotprojekt Blue Schools
Die Provinz Banteay Meanchey ist vom Klimawandel stark betroffen. Dürren und Überschwemmungen wechseln sich ab und setzen den Lebensgrundlagen der landwirtschaftlich geprägten Bevölkerung stark zu. Seit 2012 unterstützt Caritas die Gemeinden in Banteay Meanchey darin, mit den Folgen von Klimawandel und Naturkatastrophen umzugehen. Vor einigen Jahren gelangten die Behörden an Caritas mit der Bitte, sich auch um die Schulen zu kümmern. 2018 wurde beschlossen, ein dreijähriges Pilotprojekt durchzuführen, bei dem acht Primarschulen mit 3150 Kinder und 100 Lehrpersonen in sogenannte «Blue Schools» transformiert werden. In Blue Schools lernen die Kinder die Zusammenhänge zwischen Klima, Ökologie und Gesundheit kennen. Im Schulgarten lernen die Schülerinnen und Schüler, wie die Produktion von Nahrungsmitteln eng mit einem effizienten Gebrauch von natürlichen Ressourcen zusammenhängt. Auf spielerische Weise verbessern sie ihr Wissen über gesunde Ernährung, biologische Anbaumethoden und nachhaltige Land- und Wassernutzung. Ein wichtiges Thema an Blue Schools ist die Vermeidung von Plastik und das gezielte Recycling von Wertstoffen.
Zuerst wird die Infrastruktur geschaffen in der Form von kinderfreundlichen, geschlechtergetrennten und einfach zu reinigenden Toiletten, wo möglich mit Öko-Sickerbecken. Dazu gehören auch Einrichtungen zum Händewaschen mit Seife, die mit Regenwasser gespeist werden. Schlussendlich sind Filter notwendig für sauberes Trinkwasser. Mindestens so wichtig wie die baulichen Massnahmen sind die Verhaltensweisen, welche eine langfristige Nutzung der Infrastruktur, persönliche Hygiene wie auch ein sauberes Schulgelände ermöglichen. Caritas Schweiz hat eine lange Expertise im Bereich Schulhygiene und dafür ein eigenes Trainingsinstrument entwickelt: CHAST (Children Health and Sanitation Training). Es umfasst eine Palette an altersangepassten und spielerischen Modulen, bei welchen die Kinder die Zusammenhänge zwischen (un)hygienischem Verhalten und den Folgen für die Gesundheit und die Umwelt entdecken und begreifen. Das Konzept beinhaltet den Einbezug der Lehrpersonen wie auch des näheren Umfeldes (Eltern, Snackverkäufer auf Schulgelände). Ziel ist es, bei allen Beteiligten ein umfassendes Verständnis für Hygiene und ökologische Zusammenhänge zu schaffen.
Das Pilotprojekt ist ein grosser Erfolg. Besonders erfreulich ist das starke Engagement der rund 100 Lehrpersonen, die sich mehrheitlich mit enormem Engagement für ihre Schulen eingesetzt haben. Die meisten Toiletten glänzen, die Schulgärten sind gepflegt und die Schulgelände sauber. Lehrer, Eltern und Behörden anerkennen auch die Rolle der Kinder als change agents sowohl innerhalb ihrer Familien, aber auch als Wegbereiter für nachfolgende Generationen. Das Projekt ist so erfolgreich, dass Caritas Schweiz mit dem vorliegenden Projekt 45 weitere Schulen in Kambodscha auf ihrem Weg zur Blue School begleiten will. Davon profitieren 11’200 Primarschulkinder und Schulpersonal.