Die Digitalisierung ist ein Dauerbrenner – aber in der Öffentlichkeit dominieren die Diskussionen um die Veränderungen in der Wirtschaft und in der Arbeitswelt. «Umso dringlicher ist es, dass wir die sozialen Auswirkungen der Digitalisierung in den Blick nehmen», betonte Mariangela Wallimann-Bornatico, Präsidentin der Caritas Schweiz, in ihrer Begrüssung. «Wir müssen uns fragen, wie wir den Prozess der Digitalisierung politisch so steuern und gestalten können, dass die gesellschaftliche Solidarität nicht untergraben, sozialer Ausschluss abgewehrt, die demokratische Partizipation nicht geschwächt oder der Missbrauch digitaler Macht durch staatliche oder private Akteure verhindert wird.» Die Situation sei durchaus vergleichbar mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert, als staatliche Regulierungsmassnahmen, der Aufbau der Sozialversicherungen oder die Einführung der Sozialpartnerschaft die Arbeiterinnen und Arbeiter absicherten.
Wie wirkt sich die digitale Transformation bereits heute auf die sozialen Strukturen aus?
Verändert hat sich die Gefahrensituation: Heute stehe die Selbstbestimmung auf dem Spiel, sagte Dirk Helbing, Professor für Computational Social Science der ETH Zürich, in seinem Referat. Die Unmenge an Daten, die Firmen wie Facebook und Google aus dem Nutzerverhalten generieren, bilden das Einfallstor für subtile Manipulationen der öffentlichen Meinung oder gar von Wahlergebnissen. Zugleich bescheren die datengetriebenen Technologien einigen wenigen Firmen exorbitante Gewinne. Helbing geht davon aus, dass sich ohne Gegensteuer diese Machtakkumulation noch beschleunigen wird und einem System der Totalüberwachung Vorschub leistet. Dirk Helbing plädiert deshalb dafür, die digitale Gesellschaft so zu organisieren und einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, dass alle am Wohlstand teilhaben können. Ihm schwebt ein offenes Informations- und Innovations-Ökosystem vor, in dem jeder mit seinen Daten Geld verdienen kann.
Auf die Gefahren eines einseitig auf Effizienz und Profit ausgerichteten digitalen Kapitalismus machte auch Vania Alleva, die Präsidentin der Gewerkschaft Unia, aufmerksam. Das emanzipatorische Potenzial der Technik können nur genutzt werden, wenn die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten garantiert seien.
Den rechtlichen Rahmen aus Sicht der Arbeitnehmenden steckte der Jurist Aurélien Witzig ab. Der wissenschaftliche Mitarbeiter der Universitäten Genf und Neuchâtel zeigte auf, wie sich das Entstehen eines digitalen Prekariates rechtlich verhindern lässt. Der Schutz der Arbeitnehmenden ist gerade im Zeitalter der Digitalisierung kein Selbstläufer - zumal jene, die zeit- und ortsungebunden arbeiten, schwieriger gewerkschaftlich zu organisieren sind. Witzig plädierte unter anderem dafür, auch auf Tarifverträge oder internationales Recht zurückzugreifen.