Alle zehn Sekunden stirbt ein Kind unter fünf Jahren an den Folgen des Hungers, weltweit leiden 690 Millionen Menschen an Hunger, obschon es genug Nahrung für alle gäbe. Diesen Widersprüchen sind die Referierenden an der Buchvernissage des Almanachs Entwicklungspolitik 2021 auf den Grund gegangen. Der Sammelband, in diesem Jahr unter dem Titel «Wege aus der Ernährungskrise», wird von Caritas Schweiz herausgegeben.
Hugo Fasel, Direktor von Caritas Schweiz, betonte in seinen Begrüssungsworten die Dringlichkeit des Themas Hunger, das in der öffentlichen Wahrnehmung zu verschwinden droht. Franziska Koller, Mitglied der Geschäftsleitung von Caritas Schweiz, forderte fundamentale ökonomische und politische Strukturveränderungen, damit das Recht auf Nahrung für alle eine Chance hat. Ernährungsprojekte der internationalen Zusammenarbeit würden nicht ausreichen, um das Unrecht zu bekämpfen. Besonders stossend sind die weltweiten Machtasymmetrien. So exportieren Entwicklungsländer vor allem Rohstoffe, während die Player am Ende der Wertschöpfungskette die Gewinne einstreichen.
Die Corona-Krise bringt nun sogar die Gefahr neuer Hungersnöte mit sich. Christian Gerlach, Professor für Zeitgeschichte an der Universität Bern, analysierte die Ursachen globaler Wellen von Hungersnöten der letzten 150 Jahre und konnte dadurch deutlich machen, wie stark solche Ereignisse mit Umschwüngen in der Weltwirtschaft korrelieren, und wie die Gegenmassnahmen – beispielsweise die Einbindung lokaler Produzentinnen und Produzenten in Marktbeziehungen – Effekte der Hungerkrisen teilweise verstärkten.
Den Abschluss der Buchvernissage im Neubad Luzern, an der rund 70 Interessierte teilnahmen, bildete der Ernährungsmediziner und emeritierte Professor Hans Konrad Biesalski, der per Video zugeschaltet wurde. Er erläuterte den verborgenen Hunger: Wenn Menschen satt werden, aber aufgrund einseitiger Ernährung einen Mangel an Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen aufweisen und dadurch irreversible gesundheitliche Schäden erleiden. Hauptursache für den verborgenen Hunger ist die Armut. «Qualitativ wertvolle Lebensmittel sind gegenüber Getreideprodukten nicht nur teuer, sie sind oft nicht verfügbar», so Biesalski. Kinder, die der Mangelernährung ausgesetzt sind, können die körperlichen und kognitiven Entwicklungsstörungen nie mehr aufholen und bleiben auch dadurch in der Armut gefangen. Der Ernährungsmediziner forderte: «Wir müssen uns viel mehr als bisher mit der Lebensmittelqualität statt mit reiner Quantität befassen.»
Der Abend im Neubad führte den Teilnehmenden vor Augen, wie weit entfernt die internationale Staatengemeinschaft vom Ziel der Agenda «2030» ist, den Hunger aus der Welt zu schaffen. Mögliche Wege aus der Ernährungskrise werden von verschiedenen Expertinnen und Experten im neuen Almanach Entwicklungspolitik 2021 aufgezeigt.
Der Almanach Entwicklungspolitik 2021 «Wege aus der Ernährungskrise» ist bestellbar unter www.caritas.ch/shop oder per E-Mail: infonot shown@caritasto make life hard for spam bots.ch