Forum 2021: Armut grenzt aus!
Noch nie waren Menschen so stark in Rechtsverhältnisse und Marktbeziehungen eingebunden – doch das damit verbundene Inklusionsversprechen entpuppt sich als Illusion. Was sind die Gründe dieser gegenwärtigen Krise, in der gerade Armutsbetroffene in verschiedener Hinsicht soziale Ausgrenzung erfahren? Was hat dies mit der zentralen Bedeutung abhängiger Erwerbsarbeit und den mangelnden Alternativen an gesellschaftlich anerkannten Tätigkeiten zu tun? Welche Rolle spielt das ungleiche Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit, das sich in den vergangenen Jahrzehnten akzentuiert hat? Das Forum, die sozialpolitische Tagung der Caritas Schweiz, fokussiert auf die Exklusionsmechanismen in wohlhabenden Gesellschaften und geht der Frage nach, wie diese erfolgreich bekämpft werden können.
Das Eröffnungsreferat wird Martin Kronauer halten. Der emeritierte Professor für Gesellschaftswissenschaften an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin spricht darüber, warum Armut und Ausgrenzung zusammengedacht werden müssen, und was heute Exklusionsprozesse antreibt. Eine grosse Rolle spielen institutionelle Ausgrenzungsmechanismen: Jean-Pierre Tabin, Soziologieprofessor an der Hochschule für Sozialarbeit und Gesundheit in Lausanne (HES-SO), analysiert, wie der Sozialstaat Hierarchien schafft, welche je nach Herkunft und Aufenthaltsstatus diskriminieren. Auf die ausgrenzenden Mechanismen des Rechtsstaates geht Alexander Suter ein, Leiter des Fachbereichs Recht und Beratung bei der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS). Die Erläuterungen werden in einer Diskussionsrunde vertieft, zu der Ueli Mäder, emeritierter Soziologieprofessor der Universität Basel, dazustösst.
Am Nachmittag geht es um die Widersprüche in den Inklusionsbestrebungen. Die Historikerin Brigitta Bernet von der Universität Basel spricht über das Exklusionspotenzial, welches das Festhalten am «Normalarbeitsverhältnis» mit sich bringt. Wie die historische Perspektive zeigt, ist dieses «Normalarbeitsverhältnis», das zunehmend erodiert, in der Geschichte der Arbeit sowieso eine Ausnahmeerscheinung. Diese Erkenntnis ist wichtig, um die in diesem Ideal verborgenen Ungleichheitsstrukturen sichtbar zu machen und anders über Arbeit nachzudenken.
Weil Inklusion immer auch eine Frage des Geldes ist, widmet sich das Forum auch der Einkommensmobilität: Die Ökonomin Isabel Martínez von der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich präsentiert erstmals die Ergebnisse einer neuen Untersuchung. Zum Abschluss berichtet der Stadtzürcher Sozialvorsteher Raphael Golta über die Erfahrungen, welche die Stadt Zürich mit einem neuen Modell in der Sozialhilfe macht und wie dieses den Realitäten auf dem Arbeitsmarkt und der individuellen Situation besser gerecht wird.