

Vertrieben im eigenen Land
Auf der Suche nach Schutz überqueren die meisten Vertriebenen keine Grenze und bleiben im eigenen Land. Die Zahl der Binnenvertriebenen weltweit steigt aufgrund vieler und langer Konflikte, zunehmenden Naturkatastrophen und dem Zusammenspiel mit der Klimakrise seit Jahren stetig an. Dennoch erhalten sie nur sehr selten öffentliche Beachtung.
Wenn hierzulande von Flucht und Vertreibung die Rede ist, wird dies vor allem mit Geflüchteten in Verbindung gebracht, die nach Europa gelangen wollen und hier Asyl beantragen. Dabei geht oft vergessen, dass der allergrösste Teil der weltweit Vertriebenen nicht über das Nachbarland hinaus flieht und die Mehrheit im eigenen Land bleibt. Die Zahl der Binnenvertriebenen steigt seit Jahren und erreichte 2023 gemäss dem Bericht des IDMC (Intermal displacement monitoring centre) mit rund 76 Millionen einen neuen Höchststand. Diesen Menschen fehlt der internationale Schutz. Denn Abkommen wie die Genfer Flüchtlingskonvention schützen nur Schutzsuchende, die eine internationale Grenze überschritten haben.
Viele und lange andauernde Konflikte
Binnenvertriebene können oft über eine sehr lange Zeit nicht zurückkehren. Weil Konflikte lange dauern und die beeinträchtigte Infrastruktur oder politische Spannungen eine Rückkehr auch weit darüber hinaus verunmöglichen, harren sie viele Jahre unter prekären Verhältnissen aus. Zu den Menschen, die lange Zeit Binnenvertriebene bleiben, kommen jedes Jahr neue interne Vertreibungen hinzu. Sie fliehen vor Konflikten innerhalb der Ukraine, des Sudans, des Gazastreifens oder der Demokratischen Republik Kongo. Viele von ihnen werden mehrfach vertrieben oder müssen nach ihrer Rückkehr erneut gehen.
Auch Klimakrise verursacht Vertreibungen
Ein wesentlicher Einflussfaktor sind aber auch Naturkatastrophen, die 2023 über die Hälfte der neuen internen Vertreibungen verursachten. Fluten, Stürme, Dürren und Waldbrände nehmen im Zuge der Klimakrise in vielen Gebieten deutlich zu. Diese Naturereignisse treffen vor allem arme Bevölkerungsgruppen, die nur wenig mobil sind. Sie haben kaum Alternativen als da zu bleiben, auch wenn ihr Wohnort längst zur Gefahrenzone wurde. Mit jedem Umweltereignis werden sie aber noch anfälliger und wenn sie wegziehen, dann sind die Bedingungen am neuen Ort oft nicht besser. Auch Konflikte um begrenzte Ressourcen werden wahrscheinlicher, sei es nach Katastrophen oder wenn Binnenvertriebene in Konkurrenz mit der am Zufluchtsort ansässigen Bevölkerung stehen. Gewaltsame Konflikte wirken sich wiederum auf die ansässige Bevölkerung wie auch die Binnenvertriebenen aus und machen sie vulnerabler bei künftigen Naturkatastrophen. Dies wenn sich beispielsweise der Zugang zu Nahrung oder Einkommen verschlechtert.
Konflikte und Katastrophen hängen also viel stärker zusammen, als dies auf den ersten Blick erwartet wird. Es ist daher nicht sinnvoll, Flucht und Vertreibung an einer Ursache festmachen zu wollen. Die Klimakrise und die dadurch vermehrten Naturkatastrophen verstärken viel mehr die verschiedenen Fluchtursachen und damit den Druck zu gehen. Solche klimabedingte Vertreibung geht nur sehr selten über die Nachbarländer hinaus und endet meist im eigenen Land.
Es braucht Sichtbarkeit, Solidarität und Engagement der Schweiz
Trotz der grossen Herausforderungen und der steigenden Anzahl sind Binnenvertriebene ein stark vernachlässigtes Thema. Der Schutz von nationalen und europäischen Grenzen lässt sich hierzulande politisch viel einfacher zum Thema machen als komplexe Migrationszusammenhänge im Globalen Süden. Es ist aber wichtig, die Bevölkerung vor Ort und die entsprechenden Staaten zu unterstützen. Binnenvertriebene, wie auch Menschen, die nach Konflikten und Katastrophen zurückbleiben, benötigen Schutz und Unterstützung. Die Schweiz kann mit ihrem Engagement dazu beitragen, dass vertriebene Menschen und die lokale Bevölkerung in einer akuten Notsituation Hilfe bekommen, aber auch mittel- und langfristig unter den neuen Gegebenheiten ihre Existenz erhalten oder neu aufbauen können. Dies macht sie widerstandsfähiger gegenüber neuen Krisen und Katastrophen und entschärft Konflikte um mangelnde Ressourcen.
Die Entwicklungszusammenarbeit leistet so einen wichtigen Beitrag für die globale Sicherheit und das Wohlergehen der vulnerabelsten Menschen weltweit. Die Schweiz steht hier besonders in der Verantwortung: Als wohlhabendes Land, das von einer vernetzten Welt profitiert und gleichzeitig eine grosse Verantwortung bei der Klimakrise trägt, muss die Schweiz mehr in die International Zusammenarbeit investieren, anstatt sie zu kürzen.
Weitere Informationen
Titelbild: Intern vertrieben Personen in der Ukraine erhalten von Caritas Unterstützung.