Solidarität ist mehr als nur ein Wort
Wie kann die langfristige Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine und Asylsuchenden aus anderen Ländern gelingen? Vergangenen Frühling zeigte sich die Bevölkerung sehr solidarisch. Doch angesichts der wachsenden Zahl an Menschen, die in der Schweiz Zuflucht suchen, braucht es nun langfristige Lösungen. Caritas setzt viele Hilfsprojekte um, die oft von Freiwilligen unterstützt werden. Solidarität ist also mehr als nur ein Wort.
Vergangenen September riefen die Genfer Kantonsbehörden die Bevölkerung auf, sich solidarisch zu zeigen und Geflüchtete aus der Ukraine aufzunehmen. Diesem Aufruf schlossen sich das Hospice général und Caritas Genf an. Beide Institutionen arbeiten auch beim sogenannten «Matching» zusammen, wo es um die Bedürfnisse von Geflüchteten und die Angebote von Gastfamilien geht. Genf bevorzugte zwar schon früh eine Unterbringung bei Privatpersonen, musste aber darüber hinaus auf Empfangszentren wie die Palexpo-Halle zurückgreifen. Zudem wurden Büroräumlichkeiten in Wohnungen umgenutzt.
Fast so viele Lösungsansätze wie Kantone
Die Frage der Unterbringung stellt sich aber nicht nur in Genf, sondern in der ganzen Schweiz. Und es gibt fast so viele Lösungsansätze wie Kantone. Die Aufnahme in Gastfamilien ist meist nur eine mittelfristige Lösung. Es fehlt jedoch sowohl an zahlbaren privaten Unterkünften wie auch an geeigneten Kollektivunterkünften, in denen Einzelpersonen, Paare oder Familien monatelang oder gar noch länger bleiben können. Ende September waren rund 68'000 Personen aus der Ukraine in der Schweiz registriert (davon 60'000 mit Schutzstatus S). Mit Blick auf den Winter und die Entwicklungen im Ukraine-Krieg könnte die Zahl nach Schätzungen der Kantone bis zum Jahresende auf 80'000 bis 85'000 steigen.
Gleichzeitig nimmt seit Monaten die Zahl der Asylsuchenden aus anderen Ländern zu. Im September wurden 2'681 Asylgesuche eingereicht (+31% gegenüber August und +73% im Vergleich zum September 2021), wobei Afghanistan und die Türkei die Hauptherkunftsländer sind. Dieser Anstieg wirkt sich auch auf die Unterbringungskapazitäten von Bund und Kantonen aus. Je nach Verfahrensablauf werden die Asylsuchenden zuerst in einem Bundesasylzentrum und danach in kantonalen Unterkünften untergebracht.
Mehr als 50 Projekte
Dank der Solidarität von Spenderinnen und Spendern sowie der finanziellen Unterstützung der Glückskette konnten Caritas Schweiz und das gesamte Caritas-Netzwerk über 50 Hilfsprojekte für Geflüchtete aus der Ukraine und anderen Ländern ins Leben rufen. Die verschiedenen Projekte werden durch viele Freiwillige unterstützt, insbesondere wenn es darum geht, die Neuankömmlinge auf ihrem Weg der Integration zu begleiten. Nach der Soforthilfe, die diese Menschen bei Ankunft erhalten (Kleider-Sets, Einkaufsgutscheine für die Caritas-Märkte oder Ausgabe von Lebensmittelpaketen), werden sie auch längerfristig von Caritas betreut.
Viele Geflüchtete aus der Ukraine wollen arbeiten. Sie haben jedoch viele Fragen: Wie funktioniert der Schweizer Arbeitsmarkt? Wie muss eine Bewerbung aussehen? Wo werden die Stellenangebote veröffentlicht? Daher unterstützt die Caritas Luzern Geflüchtete aus der Ukraine bei der Stellensuche und bringt so die sozialen und wirtschaftlichen Interessen von Arbeitsuchenden und Arbeitgebenden zusammen. Mithilfe von Caritas Jura konnten beispielsweise unlängst acht Personen eine zweiwöchige Ausbildung im Bereich Wartungs- und Hausmeistertätigkeiten abschliessen.
Wenn ukrainische Geflüchtete oder andere Asylsuchende die Bundeszentren verlassen, sind auch Rechtsberatung und -vertretung gefragt. Caritas Schweiz leistet hier in den Zentralschweizer Kantonen Luzern, Nidwalden, Obwalden, Schwyz und Zug sowie in der Westschweiz (Freiburg, Jura, Neuenburg) Unterstützung. Zudem bildet Caritas Dolmetscherinnen und Mediatoren aus, bietet Freizeitaktivitäten und betreut besonders gefährdete Menschen, die im Haus der Bildung und Integration in Matran (FR) untergebracht sind. Darüber hinaus wird im Kanton Freiburg das Kinderbetreuungsangebot ausgebaut, damit Mütter Sprachkurse besuchen, sich weiterbilden oder eine Arbeit suchen können.
Geschrieben von Angela Lindt
Titelbild: © Ghislaine Heger