So hängen Klimawandel und Migration zusammen
Schon heute sind wegen des Klimawandels mehrere Millionen Menschen auf der Flucht – in Zukunft werden es weitaus mehr sein. Doch Klimawandel und Migration sind eng mit anderen globalen Herausforderungen wie Armut, Konflikte und Ungleichheit verknüpft. Am Klima-Symposium von Caritas Schweiz haben hundert Fachpersonen über Lösungen diskutiert.
Es sind Zahlen, die beängstigen: In der Atmosphäre steigt die CO2-Konzentration seit 60 Jahren an. In den vergangenen 1ʼ000 Jahren war sie bei Weitem noch nie so hoch wie heute. Auch die monatlichen Durchschnittstemperaturen erhöhen sich seit 1980 stetig. Und die Oberflächentemperatur der Ozeane ist zwischen 2022 und 2023 um über 0,5 Grad gestiegen.
Fakten wie diese hat Thomas Stocker am 16. Oktober in Bern präsentiert. Der Professor für Klimaphysik an der Universität Bern und ehemaliges Mitglied des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) war eine von fast hundert Fachpersonen, die am Symposium «Climate Change and Migration» von Caritas Schweiz teilgenommen haben. Darunter Expertinnen und Experten von NGOs, multilateralen Organisationen, der Wissenschaft und des Privatsektors.
Für den IPCC ist gemäss Stocker klar: «Unabhängig von der Stärke der Erderwärmung werden einige derzeit dicht besiedelte Regionen für Menschen gefährlich oder gar unbewohnbar.» Auch Inselstaaten sind durch den Anstieg des Meeresspiegels bedroht, etwa die Fidschi-Inseln im Südpazifik, was Anare Leweniqila von der ständigen UN-Mission Fidschi bezeugen konnte.
216 Millionen Klimavertriebene im Jahr 2050?
Für die Menschen kann dies fatale Folgen haben. So mussten sich 2022 weltweit rund 33 Millionen Personen aufgrund einer Katastrophe hauptsächlich innerhalb ihres Heimatlandes ein neues Zuhause zu suchen (wobei eine Person mehrmals umziehen kann). Das sind 41 Prozent mehr als im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Grund dafür war in den meisten Fällen ein Wetterereignis oder ein Zusammenhang mit der Klimaerwärmung.
Ohne entschlossene Klimaschutz- und Entwicklungsmassnahmen rechnet die Weltbank bis 2050 mit 216 Millionen Klimaflüchtlingen, die innerhalb ihrer Länder fliehen müssen (86 Millionen in Subsahara-Afrika, 49 Millionen in Fernost und Pazifik, 40 Millionen in Südasien, 19 Millionen in Nordafrika, 17 Millionen in Lateinamerika und 5 Millionen in Osteuropa und Zentralasien).
Aufgrund der Komplexität der klimabedingten Migration ist es jedoch schwierig, verlässliche Prognosen zu erstellen. Sicher ist jedoch, dass sehr viele Menschen migrieren müssen, insbesondere innerhalb des Landes, aber auch über Grenzen hinweg. Es ist daher wichtig, für «legale und sichere Migrationswege zu sorgen», meinte Walter Kälin von der Plattform für Katastrophenvertreibung am Symposium.
Probleme nicht isoliert betrachten
Klimawandel und Migration können allerdings nicht isoliert betrachtet werden. Sie sind eng mit Armut, Konflikten und Ungleichheit verknüpft. Es sind also die ohnehin schon am meisten Benachteiligten und Schwächsten, welche den Folgen eines Klima- oder Wetterereignisses am stärksten ausgesetzt sind. Dabei haben manche Menschen nicht die nötigen Ressourcen, um wegzuziehen.
Catalina Jaime vom Rotkreuz-Klimazentrum veranschaulichte dies anhand der Auswirkungen der beiden Tropenstürme Eta und Iota, die im November 2020 in Honduras wüteten. Sie forderte: «Die lokalen Gemeinschaften und Organisationen müssen im Kampf gegen klimabedingte Vertreibung im Zentrum stehen. Denn sie verstehen die Ursachen und Zusammenhänge hinter diesen Vertreibungen am besten.»
Es gibt keine globale Einheitslösung
Am Beispiel von Bangladesch, eines der am stärksten vom steigenden Meeresspiegel bedrohten Länder der Welt, erläuterte Professor Vally Koubi von der ETH Zürich und der Universität Bern die Bedeutung hochpräziser Daten zu Ursachen und zeitlichem Verlauf von Migrationsbewegungen. Die Gewinnung solcher Daten ist zwar langwierig und kostspielig, doch sie ermöglichen es den nationalen Behörden und der internationalen Gemeinschaft sicherzustellen, dass ihre Hilfen auch die richtigen Personen zur richtigen Zeit erreichen.
Die Projekte von Swissaid im indischen Bundesstaat Odisha oder von Caritas Schweiz in der Provinz Batha im zentralen Tschad veranschaulichen, dank welcher Massnahmen sich die vulnerabelsten Menschen den sich verändernden landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen anpassen können. Sie zeigen zudem, wie sich die Migration von Männern regulieren lässt, die auf der Suche nach einem zusätzlichen Einkommen für ihre Familien in Richtung Städte ziehen.
Diese Projekte machen deutlich, dass es keine globale Einheitslösung gibt, sondern sich die Lebensbedingungen der betroffenen Bevölkerungsgruppen durch eine Vielzahl von lokalen Aktionen verbessern. Der Grundsatz der Klimagerechtigkeit sollte Länder, die ihren Wohlstand grösstenteils der Nutzung fossiler Brennstoffe verdanken, dazu ermutigen, Klimaprojekte im globalen Süden deutlich stärker zu finanzieren.
Geschrieben von Fabrice Boulé, Leiter Kommunikation Westschweiz, Caritas Schweiz
Interviewanfragen und weitere Informationen: medien@caritas.ch
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Titelbild: © Verena Donislreiter