Der Plättlileger aus Aleppo
Der Grossteil der 1,5 Millionen syrischen Geflüchteten im Libanon lebt ihn extremer Armut. Mit der schweren Krise im Libanon verschärft sich die Situation der Flüchtlinge zusätzlich. Einer von ihnen ist Abbas Shadid. Abbas ist froh, wenn er überhaupt irgendein Einkommen erwirtschaften kann.
Wir treffen Abbas Shadid* auf einer Baustelle im Beiruter Stadtteil Dekwaneh. Seit 2016 lebt er, der aus Aleppo stammt, im Libanon und bringt seine 5-köpfige Familie mit Gelegenheitsjobs durch. Einige Zeit war er als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter tätig. Doch das Bauwesen ist sein Metier. «Schon mein Vater arbeitete auf dem Bau. Ich habe diese Arbeit von klein auf kennengelernt. Sie liegt mir im Blut.» Eine Ausbildung hat er nicht.
Syrische Flüchtlinge besonders von Armut betroffen
Wie alle Menschen im Libanon, der in der tiefsten Krise seiner Geschichte steckt, kämpft auch Abbas jeden Tag mit den hohen Lebenshaltungskosten. Sie sind seine grösste Sorge: «Transport, Miete – die Dinge sind unerschwinglich geworden.» Die Familie wohnt sehr einfach. Seine Kinder – junge Erwachsene – finden keine Arbeit. Der Grossteil (89%) der syrischen Geflüchteten im Libanon lebt in extremer Armut. Wie eine Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zeigt, verlieren die Flüchtlinge öfter im Wettbewerb um die raren Arbeitsplätze. Sie sind als billige Arbeitskräfte vor allem in der Landwirtschaft und im Dienstleistungssektor im Einsatz.
Die Baustelle, auf der wir Abbas treffen, wird von der Caritas betrieben. Sie renoviert Sozialwohnungen und bietet gleichzeitig bedürftigen arbeitslosen Menschen befristet Arbeit und damit ein Einkommen. Abbas’ Fachgebiet ist das Plättlilegen. Mit grosser Präzision verlegt er die Böden in den Wohnungen. Als erfahrener Mitarbeiter leitet er die jüngeren Bauarbeiter an – die meisten von ihnen wie Abbas geflüchtet aus Syrien – und gibt sein Wissen weiter. «Das mache ich sehr gern, es ist eine schöne Aufgabe», sagt er mit einem Lachen. Wie viele geflüchtete Syrerinnen und Syrer wünscht sich auch Abbas, in seine Heimat zurückzukehren, in sein Elternhaus. Doch in Syrien stünden er und seine Familie vor dem Nichts. Die Anstellung im Caritas-Projekt schätzt er deshalb sehr. «Sie ist eine echte Entlastung. Jetzt kann ich für einige Zeit die Miete pünktlich bezahlen.» Und das ist wenigstens etwas.
*Name geändert
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Titelbild: © Ghislaine Heger