Winnie Cheche on the podium at the Caritas Symposium 2024.
Winnie Cheche on the podium at the Caritas Symposium 2024.

«In Kenia ist der Klimawandel eine Frage des Überlebens»

Interview mit der kenianischen Klimaaktivistin Winnie Cheche über ihren kürzlichen Besuch in der Schweiz

Winnie Cheche ist eine bekannte Klimaaktivistin aus Afrika. Sie ist ehrenamtliche Direktorin für Kommunikation des Kheri Environment Action Network in Kenia. Im November 2024 besuchte sie auf Einladung von Caritas die Schweiz. Drei Monate nach ihrer Reise fragten wir sie nach ihren Erfahrungen und Erkenntnissen während ihres Besuchs sowie nach ihren Plänen.

Während Ihres Besuchs in der Schweiz trafen Sie sich mit Mitgliedern des Schweizer Parlaments, die sich politisch für den Klimaschutz engagieren. Welche Erkenntnisse haben Sie aus diesem Austausch mitgenommen?

Die Gespräche mit Schweizer Parlamentarierinnen und Parlamentariern haben mir aufgezeigt, dass auf der globalen Bühne erhebliche Lücken in der Kommunikation der Klimarealitäten Afrikas bestehen. Es ist offensichtlich, dass politische Dynamiken das Ausmass, die Art und die Wirksamkeit der Unterstützung für Klimaschutzmassnahmen in Afrika stark beeinflussen.

Eine wichtige Erkenntnis aus diesen Gesprächen war das weit verbreitete mangelnde Bewusstsein für lokale Klimainitiativen. Viele Entscheidungsträger übersehen oft die Komplexität bestimmter Kompromisse und glauben fälschlicherweise, dass sie leicht zu bewältigen sind. Für lokale Gemeinschaften sind diese Abwägungen jedoch entscheidend für ihr Überleben.

Darüber hinaus scheint es im politischen Diskurs der Schweiz ein erhebliches Missverständnis über das wahre Ausmass der Auswirkungen des Klimawandels in Afrika zu geben. Dieses mangelnde Verständnis stellt eine Herausforderung dar, wenn es darum geht, die dringende finanzielle Unterstützung zu rechtfertigen, die erforderlich ist, wenn in den Parlamenten des globalen Nordens über Finanzierungen für den Klimaschutz entschieden wird.

Sie nahmen auch an einem Caritas-Symposium und einer Diskussionsveranstaltung mit Klimaaktivistinnen und -aktivisten teil. Was hat Sie am meisten überrascht oder bewegt?

Die unterschiedlichen Perspektiven auf den Klimawandel zwischen der Schweiz und Kenia kontrastieren stark. In der Schweiz konzentrieren sich die Diskussionen oft auf politische Massnahmen, Ziele und finanzielle Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit dem Klimaschutz. Im Gegensatz dazu ist für viele Gemeinschaften in Kenia der Klimawandel eine dringende Überlebensfrage. Diese harte Realität unterstreicht die dringende Notwendigkeit, sich mit der Klimagerechtigkeit auseinanderzusetzen. Es ist ermutigend zu sehen, dass einige Menschen in der Schweiz bereit sind, sich diese Herausforderungen anzugehen und sie zu verstehen. Ihr Interesse daran, die Stimmen der Betroffenen in Afrika zu verstärken, sehe ich als Zeichen dafür, dass es Potenzial für mehr globale Solidarität mit dem Ziel der Klimagerechtigkeit gibt.

Welche Forderungen haben Sie und Ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter aus Kenia an Länder wie die Schweiz, angesichts ihrer hohen CO2-Emissionen?

Wir fordern Klimagerechtigkeit. Das bedeutet, dass reiche Länder wie die Schweiz ihre historische Verantwortung für die Klimakrise anerkennen und konkrete Massnahmen ergreifen müssen, um viel stärker betroffene Länder wie Kenia zu unterstützen. Dazu zählen eine höhere Klimafinanzierung, Entschädigungen für Verluste und Schäden sowie eine starke Selbstverpflichtung zur Reduktion von Emissionen.

Winnie Cheche, Volunteer Communication Director, Kheri Environment Action Network
Die unterschiedlichen Perspektiven auf den Klimawandel zwischen der Schweiz und Kenia kontrastieren stark. In der Schweiz konzentrieren sich die Diskussionen oft auf politische Massnahmen, Ziele und finanzielle Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit dem Klimaschutz. Im Gegensatz dazu ist für viele Gemeinschaften in Kenia der Klimawandel eine dringende ÜberlebensfrageWinnie ChecheKlimaaktivistin aus Kenia

Was sind die Hauptprobleme, mit denen die Menschen in Kenia derzeit aufgrund der Klimakrise konfrontiert sind?

  • Schwere Dürren und Ernährungsunsicherheit: Viele Regionen in Kenia, insbesondere aride und semi-aride Gebiete, erleben anhaltende Dürren. Diese Situation führt zu Ernteausfällen und erheblichen Verlusten beim Viehbestand.
  • Überschwemmungen und Vertreibung: Unregelmässige Niederschlagsmuster haben zu verheerenden Überschwemmungen geführt. Sie zerstören Häuser, vertreiben Gemeinschaften verstärken die Ausbreitung von Krankheiten, die durch unsauberes Wasser übertragen werden.
  • Verlust der Biodiversität: Der Klimawandel stellt eine grosse Bedrohung für die reiche Biodiversität Kenias dar. Lebensräume werden zerstört, verschiedene Arten kämpfen ums Überleben.

An welchen klimabezogenen Projekten arbeiten Sie derzeit mit Ihrer Organisation?

Leider habe ich aufgrund erfolgloser Förderanträge derzeit keine persönlichen Projekte am Laufen. Ich bin jedoch weiterhin durch Blogs und soziale Medien aktiv, um Bildung und Bewusstsein zu schaffen.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Ich bin entschlossen, afrikanische Stimmen in Klimadiskussionen zu stärken und für gerechte Lösungen einzutreten, die lokale Gemeinschaften priorisieren. Das sind meine Pläne:

  • Ausbau von Umweltbildungsprogrammen, um mehr junge Menschen zu erreichen und sie zu befähigen, durch eigene Podcasts aktiv zu werden.
  • Einstehen für Klimagerechtigkeit mit Auftritten als Rednerin an internationalen Konferenzen, um sicherzustellen, dass afrikanische Realitäten einbezogen werden.
  • Teilnahme an politischen Diskussionen, um die öffentliche Beteiligung zu fördern und für stärkere Klimaschutzmassnahmen auf lokaler und globaler Ebene einzutreten.
  • Entwicklung weiterer gemeinschaftlich geführter Initiativen, die sich auf nachhaltige Lebensgrundlagen und Klimaanpassung konzentrieren.

Was gibt Ihnen die Kraft, trotz der immensen Herausforderungen durch die Klimakrise optimistisch zu bleiben?

Meine Kraft kommt von der Widerstandsfähigkeit der Gemeinschaften, mit denen ich arbeite. Zu sehen, wie junge Menschen, Bäuerinnen und Bauern, lokale Gemeinschaften und Aktivisten trotz begrenzter Ressourcen handeln, inspiriert mich weiterzumachen. Die Natur selbst dient auch als Hoffnung. Jedes Mal, wenn ich einen Baum sehe, den wir gepflanzt haben, oder eine Gemeinschaft, die einen Weg findet, sich anzupassen, werde ich daran erinnert, dass Veränderung möglich ist. Auch die Solidarität von Mitaktivistinnen und -aktivisten auf der ganzen Welt versichert mir, dass wir in diesem Kampf nicht allein sind.

Vielen Dank für das Interview und Ihren Besuch in der Schweiz, Winnie Cheche. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihren Projekten.

Die wichtigsten Erkenntnisse der Referentinnen und Referenten des jüngsten Caritas-Symposiums über die Vereinbarkeit von Klimaschutz und Armutsbekämpfung - mit Statements von Winnie Cheche (Englisch):

Weitere Informationen

Kontakt

Fachstelle Entwicklungs- und Klimapolitik, Caritas Schweiz

Angela Lindt

Leiterin Fachstelle Entwicklungs- und Klimapolitik

+41 41 419 23 95alindt@caritas.ch

Titelbild: Winnie Cheche auf dem Podium des Caritas-Symposiums 2024. © Danny Schulthess