«Hier in Batha, im Herzen des Tschad, befinden sich die Familien in einer extremen Notlage»
Im Tschad herrscht derzeit eine Nahrungsmittelkrise. Das Land, das zu den ärmsten der Welt gehört, wird seit Monaten von einer verheerenden Dürre heimgesucht. Batha ist eine der am stärksten betroffenen Regionen. In dieser Provinz, im Herzen des Tschad, unterstützt Caritas Schweiz 35'000 Menschen. Sie leistet humanitäre Soforthilfe und hat dabei stets auch die langfristige Perspektive im Blick. Es handelt sich um ein Mandat der DEZA, das von Caritas Schweiz umgesetzt wird. Wir sprechen mit Abdoulaye Alkhalil, Projektbeauftragter und Leiter des Büros von Caritas Schweiz in Batha.
Abdoulaye Alkhalil, inwiefern ist dieses Jahr in der Provinz Batha aussergewöhnlich?
In diesem Jahr ist es besonders schwierig. Die schlimmste Dürre seit 1985 hat die Region fest im Griff. Hier in Ati, der Hauptstadt der Provinz Batha, herrscht eine brütende Hitze von bis zu 45 Grad, was mehrere Grad über den saisonalen Durchschnittswerten liegt. Aufgrund des ausbleibenden Regens fielen die letzten Ernten äusserst mager aus, und die Familien befinden sich in einer extremen Notlage.
Die Dürre verschärft zudem den Druck auf die natürlichen Ressourcen. Denn um ihre Tiere noch ernähren zu können, müssen die Viehzüchterinnen und -züchter umherziehen, wodurch zu viele von ihnen die immer knapper werdenden Weideflächen nutzen. In der Konsequenz leidet das Vieh und verendet.
Es ist eine ohnehin schon sehr arme Provinz, die von dieser Ausnahmesituation betroffen ist. Die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch, und die Männer müssen ihre Heimat verlassen, um Arbeit zu finden. Noch schwieriger ist die Lage für die Frauen, die zurückbleiben. Sie müssen sich dann oft allein um ihre Familien kümmern. Darüber hinaus hat der Konflikt im benachbarten Sudan die Versorgung mit Nahrungsmitteln erschwert, und die Preise haben sich mittlerweile verdoppelt. Mangelernährung wird zunehmend ein Problem. Die Bedürfnisse sind also gross, die Mittel jedoch begrenzt.
Welche Hilfe ist in einem solchen Kontext möglich?
In der Zeit des Nahrungsmittelengpasses von Juni bis September ist die Ernährungssituation besonders prekär, da die Ressourcen dann nahezu erschöpft sind. In diesem Zeitraum leistet Caritas gezielt humanitäre Hilfe. Dies tut sie in Form von Bargeldhilfen für die bedürftigsten Familien, damit diese Lebensmittel kaufen und die dringendsten Ausgaben decken können. Die unterernährten Kinder sind ebenfalls auf Soforthilfe angewiesen. So zeigt Caritas den Frauen in den Dörfern, wie sie mithilfe lokaler Produkte eine reichhaltigere Nahrung zubereiten können. Und dank der Getreidebanken erhalten die vulnerabelsten Haushalte während der schwierigen Zeiten Zugang zu Getreide.
Diese humanitären Massnahmen sind die Basis für eine längerfristige Entwicklung in der Region. Denn die Caritas achtet bei ihrem Engagement auch auf Nachhaltigkeit. Besonders vulnerable Familien erhalten zwei Ziegen, damit sie ihren Viehbestand wiederherstellen können und die Kinder mit Milch versorgt sind. Die Dorfbewohnerinnen und -bewohner werden zwecks Selbstversorgung beim Anlegen von Gemüsegärten unterstützt und können zudem einen Teil des angebauten Gemüses verkaufen. Bohrungen mithilfe von Solarenergie sorgen für Zugang zu sauberem Trinkwasser. Gegen einen Lohn beteiligen sich die Dorfbewohner an Arbeiten, die zur Regeneration der Böden und zum Schutz der Bäume beitragen. Und schliesslich tragen auch die Banken für landwirtschaftliche Produktionsmittel sowie die Vergabe von Mikrokrediten zur langfristigen Ernährungssicherheit bei.
Wodurch zeichnet sich die Arbeit der Caritas aus?
Zunächst einmal passt die Art der Hilfeleistungen der Caritas gut zum Wesen der lokalen Gemeinschaft, denn in der Region Batha herrscht ein grosser sozialer Zusammenhalt. Obwohl Caritas Schweiz erst seit drei Jahren vor Ort präsent ist, wird sie sehr stark wahrgenommen, und zwar sowohl vonseiten der Behörden als auch der Bevölkerung. Ihre Arbeit gilt als seriös.
«Frauen sind die wichtigste Stütze der Familie, und somit am stärksten von der Notlage betroffen. Wir beziehen sie stark in unsere Projekte und Entscheidungsfindungen ein und bieten ihnen Schulungen an.»Abdoulaye Alkhalil
Um sicherzustellen, dass unsere Unterstützung die gewünschte Wirkung erzielt, überprüfen wir unsere Tätigkeiten regelmässig. Wir arbeiten dabei auch eng mit den Behörden und anderen Hilfsorganisationen zusammen.
Ein weiteres grosses Anliegen ist es uns, Frauen eng in die Projekte einzubinden. Viele von ihnen sind verwitwet oder geschieden und besonders gefährdet. Gleichzeitig sind Frauen die wichtigste Stütze der Familie, und somit am stärksten von der Notlage betroffen. Wir beziehen die Frauen stark in unsere Projekte und Entscheidungsfindungen ein und bieten ihnen Schulungen an. So sensibilisieren wir in der Gesellschaft für mehr Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen.
Wie sehen Sie die Zukunft von Batha?
Die Situation in der Provinz wird in den kommenden Jahren zusehends schwieriger, da sich die Folgen des Klimawandels verschärfen. Immer mehr Haushalte befinden sich in prekären Lebensverhältnissen. Ein schwieriges Jahr folgt auf das andere. Hinzu kommen die politische Instabilität und die grosse Unsicherheit im Land. NGOs sind zwar vor Ort aktiv, doch es kann nicht ihre Aufgabe sein, an die Stelle des Staates zu treten. Es müssen mehr Mittel in das Bildungs- und Gesundheitswesen fliessen.
Und was motiviert Sie persönlich bei Ihrer Arbeit?
Ich bin eine sehr hilfsbereite Person – angefangen im eigenen Haus bzw. bei meinen Brüdern. Ich möchte die am stärksten benachteiligten Menschen unterstützen, und finde es schön, dass hier gute und ehrliche Arbeit geleistet wird. Caritas hat innerhalb von drei Jahren Dinge erreicht, die andere nicht geschafft haben. Ich wünsche mir, dass Caritas zu einer führenden NGO in der Region wird.
Geschrieben von Vérène Morisod Simonazzi
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Titelbild: Abdoulaye Alkhalil, Leiter des Büros von Caritas Schweiz in Batha, Tschad © Reto Albertalli