Les consultations sociales de Caritas ou celles de conseils pour le désendettement constatent que de plus en plus de personnes peinent à payer ou ne peuvent plus payer leurs primes pour l’assurance maladie.
Les consultations sociales de Caritas ou celles de conseils pour le désendettement constatent que de plus en plus de personnes peinent à payer ou ne peuvent plus payer leurs primes pour l’assurance maladie.

«Die Leute sind froh, dass wir ihnen zuhören»

Finanzielle Not wegen hohen Krankenkassenprämien

Wegen der steigenden Kosten für Krankenkassen wenden sich immer mehr Menschen an die Caritas. In Neuenburg ist die Anzahl Sozialberatungen innert drei Jahre um 84 Prozent gestiegen. Leiterin Séverine Ummel Débieux zeigt auf, welche Folgen das für Betroffene hat.

Séverine Ummel Débieux, in vielen Lebensbereichen steigen die Kosten: beim Wohnen, den Lebensmitteln und nun erneut bei der Krankenkasse. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?

Wir haben derzeit sehr viele Anfragen. 2022 meldeten sich 334 Personen bei unseren Beratungsstellen, letztes Jahr waren es bereits 616. Für 2025 rechnen wir mit ähnlich hohen Zahlen, also über 600 Beratungen.

Wie gehen Sie bei einer Beratung vor?

Der erste Kontakt dient jeweils der Orientierung, der Information und allenfalls der Besprechung der nächsten Schritte. Je nach Situation erarbeiten wir aufgrund der vorliegenden Unterlagen eine Strategie, wie das knappe Budget eingehalten werden kann. Dabei sind die aktive Beteiligung und das Engagement der betroffenen Person unerlässlich. Wir tun unser Bestes, um mit unseren beschränkten personellen Mitteln zu helfen.

Welche Bedeutung haben die steigenden Krankenkassenprämien bei den Sozialberatungen?

Immer mehr Menschen kommen zu uns, weil sie bei der Krankenkasse verschuldet oder mit den Prämienzahlungen im Rückstand sind. Wir begegnen verschiedenen Situationen: Da sind zum einen Menschen, die wir erst über ihr Recht auf Prämienverbilligung aufklären müssen und sie dann auch ermutigen müssen, diese zu beantragen. Oft können sie sich erst zu diesem Schritt durchringen, weil wir keine Unterstützung leisten können, wenn sie ihre Ansprüche nicht geltend machen.

«Die Krankenkassenprämien sind ein wesentlicher Faktor für Verarmung. Das macht uns grosse Sorgen, und wir stehen dem Problem ziemlich machtlos gegenüber.»SÉverine Ummel DébieuxLeiterin Sozialberatung Neuenburg

Auch gibt es Menschen, die eine niedrige Franchise haben und die hohen Prämien kaum bezahlen können. Oder umgekehrt diejenigen, die zwar eine niedrige Prämie haben, im Krankheitsfall aber einen hohen Selbstbehalt tragen müssen und nicht wissen, wie sie diese Ausgabe stemmen sollen. Die Krankenkassenprämien sind ein wesentlicher Faktor für Verarmung. Das macht uns grosse Sorgen, und wir stehen dem Problem ziemlich machtlos gegenüber.

Welche Folgen haben die hohen Kosten für betroffene Menschen?

Es gibt Menschen, die aufgrund von Schulden an eine Krankenkasse mit hohen Prämien gebunden sind. Andere bräuchten dringend eine Zahnbehandlung, was leider nicht von der obligatorischen Grundversicherung gedeckt wird. Diese Personen können dann nicht zum Zahnarzt gehen, weil ihnen das Geld dafür fehlt.

Aus Geldmangel auf eine medizinische Behandlung verzichten?

Das ist eine Realität. Viele verzichten auf einen Arztbesuch und häufen den Stress an, der durch ihre missliche finanzielle Lage entsteht. Die Folge sind Schlafmangel und andere Beschwerden. Häufig greifen die Betroffenen zur Selbstmedikation. Wir hören oft, dass Menschen im Alltag unter Rückenschmerzen oder Angstzuständen leiden, die sie nicht eine Minute lang entspannen lassen.

Es gibt aber auch Personen, die wegen eher harmlosen Dingen sehr oft zur Ärztin oder zum Arzt gehen. Wir verurteilen dieses Verhalten nicht, denn wir sind uns bewusst, dass für diese Leute der Arztbesuch eine Möglichkeit ist, sich Sicherheit zu verschaffen.

Man darf auch den Ärztemangel nicht vergessen. Eine Ärztin oder einen Arzt zu finden, kann für Personen in prekären finanziellen Situationen eine weitere Herausforderung unter vielen sein, die sie irgendwie bewältigen müssen.

Sie bieten auch eine Art «Sprechstunde» an. Was kann man sich darunter vorstellen?

Für viele Menschen ist es wertvoll, dass sie mit jemandem reden können, dass ihnen zugehört wird. Wir stellen auch Fragen, um ihre Situation besser zu verstehen und um erste Schritte für die Entwicklung einer Strategie zur Stabilisierung zu entwickeln. Viele schämen sich, fühlen sich verurteilt und haben Angst, ihrerseits Fragen zu stellen oder um Hilfe zu bitten.

Sie haben zuvor die Verschuldung angesprochen. Wie steht es um die Prävention?

Es gibt noch viel zu tun, bis alle verstehen, dass die Problematik der Schuldenspirale nicht einfach eine Frage der Eigenverantwortung jedes einzelnen ist. In der Schweiz braucht man viel Geld, um alle Ausgaben und Unvorhergesehenes bewältigen zu können. Ohne Rücklagen kann man leicht ins Stolpern geraten und die gesamte Lebenssituation beeinträchtigen. Eine Pfändung beispielsweise kann schwerwiegende Auswirkungen auf die Beschäftigung haben.

Das System ist zudem darauf ausgelegt, die Gläubiger zu verteidigen. Um sich darin zurechtzufinden und angemessen handeln zu können, muss man mental stark sein. Doch gerade wenn man von finanziellen Schwierigkeiten geplagt wird, ist es besonders schwierig, klar zu denken und einen kühlen Kopf zu bewahren. Um zu verhindern, dass die Menschen völlig den Boden unter den Füssen verlieren, braucht es Präventions- und Unterstützungsarbeit.

Geschrieben von Fabrice Boulé, Leiter Kommunikation Westschweiz, Caritas Schweiz Gerne vermitteln wir Interviews und beantworten Medienanfragen: medien@caritas.ch

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Titelbild: In den Sozialberatungen der Caritas zeigt sich: Immer mehr Menschen können ihre Krankenkassenprämien nicht mehr zahlen. © Thomas Plain