

«24-Stunden-Asylverfahren»: Wie steht es um die Prozessgarantien?
Seit gut einem Jahr kommen im Schweizer Asylwesen 24-Stunden-Verfahren zur Anwendung. Aus Sicht von Caritas Schweiz stellen sie wesentliche Prozessrechte für ein faires Asylverfahren auf die Probe, vor allem bei vulnerablen Personen. Die Caritas fordert deshalb ergänzende Massnahmen.
Das im April 2024 eingeführte «24-Stunden-Verfahren» setzt alle beteiligten Personen unter enormen Zeitdruck: die Asylsuchenden – vornehmlich jene aus Maghreb-Ländern – sowie alle beteiligten Fachpersonen bei der Bearbeitung der Asylanträge.
Auch die Art und Weise, wie die Verfahren umgesetzt werden müssen, haben Auswirkungen auf die Verfahrensgarantien, also die gleiche und gerechte Behandlung sowie die Beurteilung innert angemessener Frist.
Dies betrifft etwa den Ablauf, von der Planung der wesentlichen Verfahrensschritte über die Arbeit und die Begleitung des Rechtsschutzes bis hin zur Zusammenstellung der Fakten. Die betroffenen Personen durchlaufen eine 24-stündige Schnellvorbereitung. In dieser kurzen Zeit müssen sie in der Lage sein, zu verstehen, was von ihnen erwartet wird, müssen ihre Gesundheitsprobleme und ihre besonderen Bedürfnisse benennen, dafür gegebenenfalls Beweismittel beschaffen und vorlegen und sich in voller Sachkenntnis auf den entscheidenden Schritt – das Gespräch mit der Behörde – vorbereiten.
Ein Eingriff in die grundlegenden verfahrensrechtlichen Garantien
Caritas Schweiz wendet das «24-Stunden-Verfahren» seit dessen Einführung an und hat damit vertiefte Erfahrungen sammeln können. Es zeigt sich, dass die Mitarbeitenden des Rechtsschutzes in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt werden. In der knapp bemessenen Zeit ist es sehr schwierig, eine Vertrauensbasis aufzubauen, den Ablauf und die Funktionsweise des Verfahrens zu erklären, die erforderlichen Informationen bereitzustellen und – mit Blick auf die entscheidenden Prozessphasen – eine besondere Schutzbedürftigkeit oder andere relevante Bedürfnisse festzustellen. Dies hat Auswirkungen auf das Recht auf Information und Rechtsschutz der betroffenen Personen.
So sind die Menschen in einem «24-Stunden-Verfahren» konfrontiert mit einer Flut an Informationen und einer Vielzahl beteiligter Akteure. Dies in einem sehr kurz getakteten Verfahren, dessen Ablauf sie kaum nachvollziehen können. Zudem sind sie oft isoliert, leiden unter psychischen Krankheiten oder Suchtproblemen.
All dies wirkt sich erheblich auf die Ausübung des Rechts auf Anhörung aus, eine grundlegende und unverzichtbare Garantie für ein gerechtes Verfahren. Dieses Recht soll gewährleisten, dass jede Person nicht nur umfassend informiert, unterstützt und vertreten wird, um ihren Standpunkt geltend zu machen, sondern auch aktiv an einem Prozess teilnimmt, der entscheidend ist für ihr künftiges Leben. Hinzu kommt, dass Behörden immer wieder Verfahren einstellen, falls sich eine Person nicht kooperativ zeigt, etwa indem sie einer Vorladung nicht folgt oder zu spät zu einer Anhörung erscheint.
Ausgleichsmassnahmen sind notwendig
Aus Sicht von Caritas Schweiz stellt das «24-Stunden-Verfahren» die grundlegenden Prozessrechte auf die Probe, die ein gerechtes und einheitliches Asylverfahren garantieren sollen. Daher sollte auf dessen Anwendung verzichtet werden, insbesondere bei vulnerablen Personen oder angesichts potenziell relevanter Asylgründe. In jedem Fall muss es durch verfahrensrechtliche und organisatorische Ausgleichsmassnahmen begleitet und einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle durch das Bundesverwaltungsgericht unterzogen werden.
Für Caritas steht fest: Das Asylverfahren darf nicht willkürlich abgekürzt werden. Es braucht faire Verfahren. Dabei müssen die besonderen Bedürfnisse vulnerabler Personen unbedingt besser berücksichtigt werden. Auf keinen Fall darf Menschen aus den Maghreb-Staaten ein Schutzbedarf pauschal aberkannt werden.
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Titelbild: Alle geflüchteten Personen haben ein Anrecht auf ein faires Asylverfahren. © Pia Zanetti