L'Indonésie 2019
L'Indonésie 2019

Vernehmlassungs­antwort zum neuen Investitionsschutz­abkommen zwischen der Schweiz und Indonesien

Im Mai 2022 haben die Schweiz und Indonesien ein neues Investitionsschutzabkommen unterzeichnet. Erstmals kommt darin ein Verhandlungsansatz zum Einsatz, mit welchem die Schweiz versucht, den Investitionsschutz mit den Zielen der nachhaltigen Entwicklung zusammenzubringen. Damit hat das Abkommen einen wegweisenden Charakter für ähnliche Verträge, die in Zukunft folgen werden. Bevor das Abkommen ratifiziert werden kann, wurde es vom Bundesrat in die Vernehmlassung geschickt. Caritas Schweiz nimmt die Möglichkeit wahr, sich zu diesem wichtigen Thema der Schweizer Aussenhandels­politik zu äussern – und Nachbesserungen im Abkommen zu fordern.

Bilaterale Investitionsschutzabkommen sollen Unternehmen, welche im Ausland tätig sind, vor unrechtmässigen Eingriffen des Gastlandes schützen. Dadurch sollen beispielsweise unzulässige Enteignungen verhindert werden. Im Gegenzug erhoffen sich die Gastländer eine Zunahme der ausländischen Investitionen. In den vergangenen Jahren sind Investitionsschutzabkommen jedoch zunehmend auf Kritik gestossen, insbesondere von zivilgesellschaftlichen Organisationen und sozialen Bewegungen aus dem Globalen Süden. Der Vorwurf wurde laut, dass transnational tätige Unternehmen durch die Abkommen unverhältnismässige Rechte zugesprochen bekommen, ihnen gleichzeitig allerdings keine Pflichten in Bezug auf Menschenrechte und Umweltschutz auferlegt werden.

Als besonders stossend werden von den Kritikerinnen und Kritikern die sogenannten Investor-Staat-Schiedsverfahren (englisch Investor-state dispute settlement, ISDS) wahrgenommen, die in den Abkommen festgeschrieben sind. Mit diesen Schiedsverfahren können private Unternehmen die Gaststaaten vor internationalen Schiedsinstanzen auf Schadenersatzzahlungen verklagen, wenn sie ihre Investitionen durch das Handeln des Gastlandes bedroht oder geschädigt sehen. In der Praxis führte dies wiederholt zu Klagen, wenn Staaten, insbesondere im Globalen Süden, ihre Gesundheits-, Umwelt-, oder Sozialpolitik anpassten und die Tätigkeiten von ausländischen Unternehmen stärker regulierten. Auch nach Urteilen von nationalen Gerichten gegen ausländische Unternehmen – beispielsweise im Zusammenhang mit Umweltschutzverstössen – wurde dieser Mechanismus des Investitionsschutzes häufig angewendet. Besonders aktiv genutzt werden die Schiedsverfahren von mächtigen Energie- und Rohstoffunternehmen. Bekannteste Beispiele sind die Klagen von Chevron gegen Ecuador, als der Erdölkonzern wegen massiver Umweltverschmutzung zu Schadenersatz verpflichtet wurde, vom Rohstoffriesen Glencore gegen Kolumbien, der sich ebenfalls gegen ein nationales Gerichtsurteil zur Wehr zu setzen versuchte, oder vom Energiekonzern Vattenfall gegen Deutschland, nachdem das Land den Atomausstieg beschlossen hat. Die Kritik lautet, dass durch die Schiedsverfahren das Regulierungsrecht der Gastländer zu stark beschränkt werde, während im Gegenzug international rechtlich verbindliche Regeln weiterhin fehlen, um transnationale Unternehmen bei Menschenrechts- und Umweltverstössen zur Rechenschaft ziehen zu können.

Die Schweiz hat versucht, mit ihrem neuen Verhandlungsansatz zumindest teilweise auf diese Kritik einzugehen. So wird im neu verhandelten Investitionsschutzabkommen mit Indonesien explizit das Regulierungsrecht der beiden Staaten betont, in Bezug auf die öffentliche Gesundheit, das Sozialwesen, die öffentliche Bildung, die Sicherheit und die Umwelt Regeln zu erlassen. Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, wird zum ersten Mal explizit so in einem Investitionsschutzabkommen der Schweiz benannt. Auch enthält das Abkommen mehrere Artikel, mit denen die Korruption verhindert und die nachhaltige Entwicklung gefördert werden soll, und in denen die Unternehmen «ermutigt» werden, ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen. Bei den Schiedsverfahren werden vereinzelt Verbesserungen vorgenommen, wie beispielsweise eine etwas grössere Transparenz bei den Verfahren.

Insgesamt beurteilt Caritas Schweiz den neuen Verhandlungsansatz jedoch als unzureichend. Die Verpflichtungen der Unternehmen, bei ihren Investitionen die international geltenden Menschenrechtsabkommen verpflichtend einzuhalten, fehlen weiterhin. Die Menschenrechte werden im Abkommen mit keinem Wort erwähnt. Die Forderungen, welche an die Investoren gestellt werden, sind viel zu zögerlich, als dass sie zu einer Verbesserung der Situation führen könnte. Die Investoren lediglich zu «ermutigen», sich doch bitte an die nationalen Gesetze zu halten, erscheint mehr als mutlos. Das Abkommen zementiert somit weiterhin das Ungleichgewicht zwischen den Rechten und den Pflichten der Unternehmen und hält an den umstrittenen Investor-Staat-Schiedsverfahren fest. 

Caritas Schweiz fordert deshalb den Bundesrat auf, das zuständig Staatssekretariat für Wirtschaft SECO mit einer Neuaushandlung des Abkommens zu beauftragen. Dadurch soll die Kohärenz der Schweizer Aussenhandelspolitik sichergestellt werden. Der Bundesrat muss verhindern, dass die Investitionsförderung im Widerspruch zu den Bemühungen steht, die nachhaltige Entwicklung in Partnerländern wie Indonesien zu fördern.

Titelbild: Indonesien 2019 © Bambang Febriandi Wibowo