… und wenn die Inflation bei 100% läge?

Kommentar

Die Länder Europas sind derzeit von einer bemerkenswerten Inflation betroffen. Die Gründe dafür liegen unter anderem im Ukrainekonflikt, den steigenden Energiekosten, welche wiederum die Produktionskosten und damit auch die Nahrungsmittelpreise erhöhen. Diese Inflation tangiert vor allem armutsbetroffene Menschen, die es nun noch schwerer haben, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Medial wird diese Inflation gegenwärtig zu Recht breit diskutiert.

Völlig ausser Acht lassen wir aber die Tatsache, dass die Inflation im Globalen Süden für armutsbetroffene Menschen ganz andere Dimensionen aufweist, als wir sie in Europa kennen. Caritas Schweiz analysierte bereits im Juni 2022 die Preiserhöhungen in weltweit rund 20 Ländern. Schon damals war die Inflation bei Grundnahrungsmitteln und Treibstoff bedenklich hoch. Inzwischen sind die Preise weiter gestiegen: Die Kosten für einige elementare Nahrungsmittel liegen in vielen Ländern Subsaharas gegenüber dem Jahr 2021 um 100% höher, vereinzelt ist von 200% Preissteigerung die Rede. Die Treibstoffpreise sind ebenfalls massiv gestiegen und verursachen bekanntlich einen starken Kostendruck auf die Grundnahrungsmittel. öllig ausser Acht lassen wir aber die Tatsache, dass die Inflation im Globalen Süden für armutsbetroffene Menschen ganz andere Dimensionen aufweist, als wir sie in Europa kennen. Caritas Schweiz analysierte bereits im Juni 2022 die Preiserhöhungen in weltweit rund 20 Ländern. Schon damals war die Inflation bei Grundnahrungsmitteln und Treibstoff bedenklich hoch. Inzwischen sind die Preise weiter gestiegen: Die Kosten für einige elementare Nahrungsmittel liegen in vielen Ländern Subsaharas gegenüber dem Jahr 2021 um 100% höher, vereinzelt ist von 200% Preissteigerung die Rede. Die Treibstoffpreise sind ebenfalls massiv gestiegen und verursachen bekanntlich einen starken Kostendruck auf die Grundnahrungsmittel. 

Überlebensfrage für Millionen von Menschen

Nehmen wir Mali und Burkina Faso im Sahelgürtel Afrikas. Dort sind die Preise für viele Grundnahrungsmittel seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs massiv gestiegen. So liegen die Preise für Mais, Hirse und Sorgho heute doppelt so hoch wie vor einem Jahr - und diese drei Produkte gehören dort zu den wichtigsten Nahrungsmitteln für armutsbetroffene Menschen. Auch Öl ist deutlich teurer geworden. Das ist aber nur ein Teil des Problems. 

Das zweite Problem liegt anderswo: In der Schweiz geben die ärmsten 20% der Bevölkerung 13% ihres Einkommens für Nahrungsmittel aus, Durchschnittsverdienende etwa 6%. In Ländern Subsaharas hingegen müssen die Armutsbetroffenen bis zu 80% ihres verfügbaren Einkommens für Lebensmittel ausgeben, um überleben zu können. Sie haben keine Ersparnisse und beschaffen mit diesem Geld nur das Lebensnotwendigste. Verdoppeln sich die Lebensmittelpreise, dann können sie nur noch halb so viel einkaufen und konsumieren. Es wird schnell klar, dass diese Preissteigerungen in der Sahelzone zu Existenznöten, gravierender Armut und Hunger führen. Kombiniert mit der sowohl im Sahel wie in Ostafrika herrschenden Dürre, führt die aktuelle Situation zur Überlebensfrage für Millionen von Menschen. Allein am Horn von Afrika sind 22 Millionen Menschen vom Hungertod bedroht.

Die aktuelle Diskussion führt uns vor Augen, dass wir unseren Wohlstand im Globalen Norden auf Kosten und gegen die Rechte anderer beanspruchen und verteidigen. Die Lebensbedingungen in reichen Ländern mit unbegrenztem Zugriff auf Ressourcen gründen auf der Armut anderer. Es wird immer noch selbstverständlich vorausgesetzt, dass Menschen in armen Ländern Verzicht üben sollen, und es wird hingenommen, dass ein grosser Teil der weltweiten Bevölkerung hungert. Die globale Armut hat sich seit der Coronakrise und dem Ausbruch des Ukrainekonflikts verschärft und ist deutlich gestiegen. Das blenden wir gegenwärtig gerne aus, wenn wir im globalen Norden von der Energiekrise oder dem Problem der Inflation reden. 

Die globale Verteilung wäre erst dann gerecht und die Nachhaltigkeit erst gegeben, wenn die Menschen im Süden und im Norden den gleichen Zugriff auf Ressourcen hätten, das heisst, wenn die Menschen im Globalen Süden die gleichen Rechte auf Nahrungsmittel hätten wie wir im Norden und wenn der Fussabdruck im Norden und Süden derselbe wäre, unter Berücksichtigung der Kapazitäten der Erde.

Das hiesse, dass wir alle Nahrungsmittel fair und ökologisch nachhaltig produzieren müssten, und zwar über die gesamten Lieferketten hinweg. Dann lägen die Inflationszahlen im Norden vermutlich aber noch um ein Vielfaches höher – woran gegenwärtig niemand denken möchte. Die Dringlichkeit dafür wird wohl auch erst dann greifbar werden, wenn die nachhaltigen und fairen Lösungen nicht mehr nur ein ethisches Prinzip sind, sondern wenn wir die Klimakrise direkt vor unserem Fenster sehen, sie auch für uns existenzbedrohend ist, wenn ganze Länder überspült sind und Naturkatastrophen zum Alltag gehören. Für viele Menschen im Globalen Süden ist dies bereits heute Realität.

Geschrieben von Franziska Koller

Titelbild: © Fatoumata Traoré