Le camp de Gorom
Le camp de Gorom

Südsudan: «Im Flüchtlingslager fehlt es an allem»

Ein Jahr nach Ausbruch der Kämpfe im Sudan

Abseits der Weltöffentlichkeit spielt sich eine der grössten humanitären Krisen der Welt ab. Die Gewalteskalation im Sudan hat innerhalb eines Jahres acht Millionen Menschen vertrieben und die ohnehin fragile und von Hunger bedrohte Region weiter destabilisiert. Im Südsudan leistet Caritas Schweiz Nothilfe vor allem für geflüchtete Frauen und Kinder.

Der gewaltsame Konflikt zwischen zwei rivalisierenden Generälen im Sudan hat seit seinem Ausbruch am 15. April 2023 rund 14’000 Tote gefordert. 6,3 Millionen Menschen wurden im Land selbst und 1,7 Millionen über die Landesgrenzen hinaus vertrieben. Die Situation droht sich weiter zuzuspitzen und aufgrund des Kriegs werden in den kommenden Monaten hohe Ernteausfälle befürchtet. Das «Famine Early Warning Network» spricht gar von einer möglichen Hungersnot. Wer nicht vor der Gewalt fliehen muss, wird dann vom Hunger vertrieben.

Derweil hat nicht nur die mediale Aufmerksamkeit für diese grösste Vertriebenen- und Flüchtlingskrise auf dem afrikanischen Kontinent stark abgenommen, auch die Mittel zu deren Bewältigung fehlen. Die humanitäre Hilfe in der Region ist drastisch unterfinanziert: Nur fünf Prozent der gemäss den UN allein im Sudan benötigten 2,7 Milliarden US-Dollar stehen zur Verfügung.

«Viele Geflüchtete haben nicht genug zu Essen»

Die Folgen dieser Krise sind auch im benachbarten Südsudan sichtbar: Im Gorom-Lager für Geflüchtete in der Hauptstadt Juba sieht man die Eingrenzung längst nicht mehr, die das Camp einst umgab. Kontinuierlich hat sich im vergangenen Jahr Zelt an Zelt gereiht, als Tausende aus dem benachbarten Sudan Geflüchtete hier ihr Lager aufschlugen. 15’000 Personen leben heute im Gorom-Camp, das 2010 für 2’500 damals aus Äthiopien geflohene Menschen errichtet wurde – unter katastrophalen Bedingungen.

© Caritas Juba

«Es fehlt schlicht an allem. Latrinen, die Hygiene- und Gesundheitsversorgung, aber auch sauberes Trinkwasser und Nahrungsmittel reichen bei Weitem nicht für alle», erläutert James Alau, Programmverantwortlicher bei Caritas Juba. «Viele Menschen haben nicht einmal genug zu Essen.»

Eines der ärmsten Länder als Aufnahmeland

Neben dem Tschad beherbergt der Südsudan mit rund 580’000 Menschen die grösste Zahl an Menschen, die vergangenes Jahr aus dem Sudan in die Nachbarländer geflohen sind. Auf der Flucht vor der anhaltenden Gewalt kommen auch heute noch täglich über 1’500 Personen im Südsudan an.

Wie soll dieses instabile Land, das zu den ärmsten der Welt zählt und von einem eigenen internen Konflikt gebeutelt ist, die Geflüchteten versorgen? Viele der im Südsudan Ankommenden stammen ursprünglich von hier. Sie hatten ihre Heimat verlassen in der Hoffnung, Gewalt und Hunger hinter sich zu lassen. Nun bleibt ihnen nichts anderes übrig, als in die Perspektivlosigkeit zurückzukehren, vor der sie einst geflohen waren. Viele haben kaum noch Bindung oder Angehörige im Südsudan. Sie können nirgendwo hin und leben unter menschenunwürdigsten Bedingungen – wie im Gorom-Lager.

Ein Nothilfeprogramm für die Verletzlichsten

Caritas Schweiz ist seit über 50 Jahren im Südsudan tätig. Unmittelbar nach Ausbruch der Kämpfe im Sudan hat sie ein Nothilfeprogramm gestartet. Fast die Hälfte der Ankommenden aus dem Sudan sind minderjährig, die grosse Mehrheit der Erwachsenen weiblich. Die Caritas legt bei ihrer Hilfe deshalb den Fokus auf diese beiden besonders verletzbaren Gruppen.

Mit ihrer Partnerorganisation Caritas Juba verteilt Caritas Schweiz im Gorom-Lager Mais, Bohnen, Zucker, Speiseöl und Salz an 160 Familien. 160 akut mangelernährte Kinder erhalten zudem Milch, Süsskartoffeln oder Linsen, damit sie wieder zu Kräften kommen. In der Stadt Renk im Norden des Landes, unmittelbar an der sudanesischen Grenze, hat Caritas Schweiz mit ihrer zweiten Partnerorganisation, ADA, von Frühjahr bis Ende 2023 1’500 Familien mit Bargeldhilfe unterstützt.

Schutz und psychologische Unterstützung für Kinder

«Für die Kinder ist der Umgang mit der neuen Situation besonders schwierig», sagt James Alau. «Sie können das Erlebte kaum verstehen oder verarbeiten. Viele wurden von Vertrauenspersonen getrennt.» Zudem erschweren Kommunikationsprobleme das Eingewöhnen. «Die meisten Kinder aus dem Sudan sprechen Arabisch. Andere hingegen verstehen nur Englisch. Es kommt zu vielen Missverständnissen, auch mit der lokalen Bevölkerung oder Geflüchteten aus anderen Ländern.» Bereits vom Frühjahr an hat Caritas Schweiz deshalb in Renk auch Kinder psychosozial unterstützt.

Wegen des riesigen Bedarfs wird Caritas Schweiz diese Hilfe weiterführen und ausweiten. Dafür ist ein von der «Glückskette» finanziertes Projekt zugunsten von 1'000 Kindern in Planung. Neben psychologischer Begleitung werden mit dem lokalen Partner unter anderem kindgerechte safe spaces geschaffen, zu Kinderschutz sensibilisiert und bei der Familienzusammenführung unterstützt.

Im gleichen Projekt wird sich Caritas Schweiz mit Caritas Juba auch im Gorom-Lager für den Schutz von gefährdeten Menschen einsetzen – für Frauen und Mädchen. Geschlechterbasierte Gewalt ist sowohl im Südsudan als auch im Sudan ein seit langem schwelendes und gravierendes Problem. Besonders Flüchtlingslager bergen grosse Gefahren für Frauen und Mädchen. «Das überfüllte Camp in Gorom ist komplett offen und die Sicherheit allgemein schwer zu gewährleisten», erzählt James Alau. «Es gibt bewaffnete Gruppen in der Nähe. Dann leben alle Menschen sehr eng zusammen, viele sind nicht sensibilisiert auf das Thema und es fehlt an Hygieneinfrastruktur für Frauen und Mädchen.»

Mit Sensibilisierungs- und Informationsmassnahmen wird die Caritas dazu beitragen, einem stark tabuisierten Thema Raum zu geben und so die Situation von Frauen und Mädchen zu verbessern.

Geschrieben von Anna Haselbach, Projektverantwortliche Private Fundraising und Kommunikation, Caritas Schweiz

Interviewanfragen und weitere Informationen: medien@caritas.ch

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Titelbild: Das Flüchtlingslager Gorom © Caritas Juba