Schwindende Lebensgrundlagen bedrohen den Frieden in Ostafrika

Grösste Flüchtlingskrise in Afrika

In der größten Flüchtlingskrise Afrikas setzt die Caritas Schweiz auf gewaltfreie Konfliktlösung zur Sicherung der Lebensgrundlagen für aufnehmende Gemeinden, Flüchtlinge und Rückkehrer in Uganda und dem Südsudan.

Ostafrika, bestehend aus insgesamt 18 Ländern und Heimat für ca. 445 Millionen Menschen, ist seit jeher Teil globaler Migrations- und Handelsnetze. Extreme Armut, chronische Unterentwicklung, Gewalt und eine Klimakrise lassen aber vor allem die Flüchtlingszahlen in der Region nach oben schnellen. Angaben des UN-Flüchtlingswerks (UNHCR) zufolge hat sich die Zahl der Flüchtlinge in Ostafrika in den letzten zehn Jahren von 1,82 Millionen im Jahr 2012 auf heute fast fünf Millionen beinahe verdreifacht.

Das Regionalbüro des Welternährungsprogramms in Ostafrika konstatiert einen noch nie dagewesenen Bedarf an humanitärer Hilfe im Jahr 2022, der durch schwere Klimaschocks, anhaltende Konflikte und Instabilität sowie steigende Nahrungsmittel- und Treibstoffpreise verursacht wird.

Millionen vertriebener Familien in Ostafrika werden noch tiefer in den Hunger fallen, da die Nahrungsmittelrationen immer knapper werden und die humanitären Ressourcen bis an die Grenzen ausgereizt sind. Gerade in Ostafrika treten Überschwemmungen und Dürren immer häufiger und intensiver auf, was Länder wie den Südsudan, Uganda, Äthiopien, Kenia, Somalia und den Sudan schwer trifft und die Ernährungsunsicherheit weiter verschärft. Aufgrund von Finanzierungsengpässen beim Welternährungsprogramm wurde im laufenden Jahr die Nahrungsmittelhilfe für 3,5 Millionen Flüchtlinge der Region gekürzt, was zu einem hohen Mass an akuter Unterernährung, Mangelernährung, Anämie und kritischen Schutzproblemen, besonders unter Frauen und Kindern, führte.

Die Krise des Südsudan, auch eine Krise für Kinder

Der Südsudan wurde durch den verheerenden Bürgerkrieg von 2013, nur zwei Jahre nach der erlangten Unabhängigkeit, in eine humanitäre Krise gestürzt. Aktuelle Zahlen von September 2022 des UNHCR belegen, dass immer noch mehr als 2,26 Millionen südsudanesische Flüchtlinge in den angrenzenden Ländern leben. Weitere 2,02 Millionen Binnenvertriebene befinden sich innerhalb des Südsudan in Schutzgebieten für die Zivilbevölkerung oder in Sammelunterkünften im ganzen Land. Bei einer Gesamteinwohnerzahl von etwa 12 Millionen sind also rund 36% der Bevölkerung des Südsudan direkt von Migration, die im Wesentlichen durch den Bürgerkrieg und die kritische Ernährungslage ausgelöst wird, betroffen. Unter der Krise leiden vor allem Kinder, denn nach UNHCR Angaben sind zwei von drei südsudanesischen Flüchtlingen unter 18 Jahre alt. Die Flüchtlingskrise im Südsudan ist gleichzeitig die größte in Afrika und mit nur etwa 17% der erforderlichen Mittel eine der am stärksten unterfinanzierten.

Uganda beherbergt mit über 800'000 Menschen (Stand Oktober 2022) die größte Anzahl südsudanesischer Flüchtlinge in Ostafrika. In der grenzüberschreitenden Region zwischen Uganda und dem Südsudan gibt es eine zunehmende Anzahl von Konflikten, die im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen stehen und sich durch den Klimawandel verschärfen. Lebensgrundlagen und Ernährungssicherheit von Aufnahme- und Flüchtlingsgemeinschaften, Binnenvertriebenen und Rückkehrern in der südsudanesischen Provinz Central Equatoria und der ugandischen Subregion West Nile hängen meist stark von den natürlichen Ressourcen ab, da die meisten Haushalte ihren Lebensunterhalt mit Regenfeldbau bestreiten. Die übermäßige Ausbeutung der Ressourcen verschärft die Ungleichheiten und Risiken für bestimmte Bevölkerungsgruppen und die Spannungen innerhalb der Gemeinschaften. Konflikte im Zusammenhang mit der Nutzung dieser Ressourcen gehören zu den wichtigsten Faktoren, die sich negativ auf die Fähigkeit der Menschen auswirken, ihre unmittelbaren Bedürfnisse zu befriedigen und nachhaltige Lebensgrundlagen zu schaffen.

Beitrag zur gewaltfreien Konfliktlösung

Das Projekt «Building Peace Through Sustainable Access to, and Management of, Natural Resources in West Nile and Central Equatoria» (PAMANA) zielt darauf ab, die Konflikte um und den Druck auf die natürlichen Ressourcen in der Projektregion zu verringern. Gemeinsam mit einem ugandischen und zwei südsudanesischen Partnern fördert die Caritas Schweiz den Aufbau lokaler Kapazitäten zur Unterstützung der am stärksten gefährdeten Gruppen unter den Aufnahmegemeinden, Flüchtlingsgruppen und Binnenvertriebenen, um deren unmittelbare Bedürfnisse zu sichern und für diese Menschen eine nachhaltige Existenzgrundlage zu sichern, die Frieden, Stabilität und Gleichberechtigung der Geschlechter fördert.

Durch die Verflechtung humanitärer, Entwicklungs- und friedensfördernder Aktivitäten, im Allgemeinen als HDP-Ansatz (Human-Development-Peace) beschrieben, werden die Kapazitäten der Zielgruppen in der Projektregion - einschließlich staatlicher Strukturen, religiöser beziehungsweise traditioneller Institutionen, des Privatsektors und der Zivilgesellschaft - gestärkt, um der Bevölkerung adäquate Unterstützung leisten zu können. Dabei wird ein besonderer Schwerpunkt auf die Integration von Frauen und Jugendlichen gelegt. Im Rahmen der humanitären Komponente werden die unmittelbaren Bedürfnisse der am stärksten gefährdeten Gruppen durch konfliktsensible und geschlechtsspezifische humanitäre Hilfe besser erfüllt. Die Aktivitäten im Rahmen der Entwicklungskomponente stärken die lokalen Kapazitäten zur Erreichung einer erhöhten Eigenständigkeit und Resilienz auf Basis einer friedlichen Koexistenz zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Durch die friedensfördernden Massnahmen wird das Verständnis für Konfliktursachen verbessert, insbesondere in Bezug auf Zugang und Nutzung natürlicher Ressourcen. Darüber hinaus werden die Fähigkeiten aller Parteien gestärkt, Wege für eine möglichst gewaltfreie Konfliktlösung zu finden, um dadurch eine nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen zu erreichen und die Anpassung an den Klimawandel zu stärken.

Geschrieben von Julian Jenkel

Titelbild: © Fabian Biasio