Schutzstatus S: Das Rückkehrparadigma überdenken

Nach zwei Jahren Krieg in der Ukraine braucht es ein klares Bekenntnis zur Integration

Eine sichere Rückkehr in die Ukraine scheint in absehbarer Zeit nicht realistisch zu sein. Dennoch ist die Rückkehr der ukrainischen Schutzsuchenden ein ständiges Thema, was den Integrationsprozess erschwert. Aus Sicht der Caritas ist beim Schutzstatus S ein Umdenken notwendig. Es braucht mehr Integrationsförderung, die auch vor der frühzeitigen Erteilung einer sicheren Aufenthaltsbewilligung nicht zurückschreckt.

Als die ersten Ukrainerinnen und Ukrainer vor dem russischen Angriffskrieg flohen, reagierten Europa und die Schweiz schnell und zeigten sich solidarisch. Innert Kürze entschied der Bundesrat, den Schutzstatus S erstmals zu erteilen und auch die Zivilgesellschaft und Gastfamilien engagierten sich beispiellos. Die Anwendung des Schutzstatus S im März 2022 war stehts mit dem Hinweis verbunden, dass der Aufenthalt nur vorübergehend ist und die baldige Rückkehr im Zentrum steht. Diese Vorstellung von einem kurzen Krieg und einer schnellen Heimkehr, hat sich leider nicht bewahrheitet. Auch nach zwei Jahren deutet leider nichts auf ein baldiges Ende des Krieges hin. Und solange Bomben überall im Land einschlagen können und es keinen gesicherten Frieden gibt, ist es nicht an der Zeit über eine forcierte Rückkehr zu sprechen.

Rückkehrorientierung erschwert Integration

Dennoch ist der Hinweis, dass der Schutzstatus S rückkehrorientiert ist, sowohl in den Medien wie auch in der politischen Debatte allgegenwärtig. Dies ist für die Betroffenen eine schwierige Ausgangslage. Sie haben sich zwar faktisch an die neue Realität eines langen Krieges und damit eines längeren Aufenthalts gewöhnt. Dafür werden sie aber aufgrund der Rückkehrorientierung des Status nur minimal unterstützt, leben mit Asylsozialhilfe weit unter dem Existenzminimum und die Integrationsförderung geschieht mit angezogener Handbremse. Aber auch für mögliche Arbeitgebende, Behörden und die gesamte Bevölkerung ist es schwierig zu verstehen, wie das mit der Rückkehrorientierung gemeint ist.


Mittlerweile hat auch das Staatssekretariat für Migration (SEM) festgestellt, dass der Fokus auf die schnellstmögliche Rückkehr nicht förderlich für die Integration ist. Das SEM betont in seinem Fachbericht, dass Integrationsförderung in jedem Falle sinnvoll ist und die Rückkehrbereitschaft nicht von Spracherwerb, einer Arbeitsstelle oder dem Wohlbefinden in der Schweiz abhänge. Massgebend für die Rückkehr ist die Situation in der Ukraine. In einem Rundschreiben fordert das SEM die Kantone nun auf, sich stärker für die Integration einzusetzen und die bestehenden Strukturen der Integrationsagenda zu nutzen, wozu auch die Ermöglichung von Kinderbetreuung zählt. Das Ziel ist eine Erwerbsquote von 40 Prozent.

Aufenthaltsbewilligung bietet Sicherheit und Stabilität

Mehr Integrationsförderung und mehr Arbeitsmarktbeteiligung, das sind hehre Absichten. Es darf aber nicht bei diesen bleiben. Wie wir aus den Erfahrungen mit der vorläufigen Aufnahme wissen, sind punktuelle Verbesserungen zwar wichtig und richtig. Sie mögen aber Vorbehalte, die mit einem rückkehrorientierten Ausweis einhergehen, nicht überwinden. Integration und Aufenthaltsrecht sind sehr eng miteinander verknüpft.


Aktuell haben Menschen mit Schutzstatus S nach fünf Jahren Aufenthalt einen Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung. Für Caritas ist aber klar, dass es sinnvoll wäre, die Aufenthaltsbewilligung so bald wie möglich zu erteilen. Dies wäre nicht nur eine echte Chance, um Klarheit und Sicherheit für die Betroffenen und alle Beteiligten zu schaffen, es würde auch die Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt deutlich erleichtern. Dass sich dies später negativ auf eine spätere Rückkehr auswirkt, erachten wir als unwahrscheinlich. Denn die meisten möchten zurück, wenn es die Situation vor Ort erlaubt. Aber bis dahin könnten die Menschen ernsthaft Fuss fassen und die Arbeitgebenden auf die so wichtigen Arbeitskräfte zählen.

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Titelbild: © Ghislaine Heger