Schutz für Geflüchtete wird deutlich eingeschränkt

Was am neuen EU-Migrationspakt problematisch ist

Am Mittwoch hat das europäische Parlament den EU-Migrations- und Asylpakt definitiv abgesegnet. Dies markiert das Ende der langwierigen Verhandlungen zur Reform des europäischen Asylsystems. Caritas Europa äusserte sich in ihrem Statement besorgt über die möglichen negativen Auswirkungen auf das Leben tausender Menschen, da die neuen Regeln den Zugang zu Schutz für Bedürftige deutlich einschränken.

Caritas Europa bedauert, dass es mit dem Pakt verpasst wurde, das dysfunktionale Dublin-System zu reformieren. So bleibt weiterhin der Schengenstaat, in dem Asylsuchende zuerst ankommen, für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig. Die neue Regelung beinhaltet stattdessen einen komplizierten Solidaritätsmechanismus, bei dem die EU-Mitgliedstaaten buchstäblich zahlen können, um Umverteilungen von Asylsuchenden zu vermeiden. Dies kann die ungleich grössere Verantwortung, die auf die Mitgliedstaaten an den EU-Aussengrenzen zukommt, nicht ausgleichen.

Problematisch ist ebenso die Ausweitung von beschleunigten Asyl- und Rückführungsverfahren an den Schengenaussengrenzen. Um Sekundärmigration zu verhindern, sollen Asylsuchende an den Grenzen festgehalten werden. Dies wird in der angespannten Situation in den Grenzländern zu weit verbreiteten Inhaftierungen, auch von Familien und Kindern, zu übereilten Asylverfahren mit eingeschränkten Schutzmassnahmen und schlechten Aufnahmestandards führen. Das neue Screeningverfahren birgt auch die Gefahr, dass diskriminierendes Racial Profiling zunimmt und legitimiert wird.

Mit der erweiterten Anwendung des Konzepts des «sicheren Drittstaates» sollen mehr Menschen in ein Transitland, wie beispielsweise Tunesien, zurückgeschickt werden können. Dies widerspiegelt den zunehmenden Trend zur Externalisierung, also der Auslagerung von Verantwortung für den Asylbereich auf Länder ausserhalb Europas.

Schliesslich wird den Regierungen eine Reihe von ausserordentlichen Massnahmen zur Verfügung stehen, um den Zugang zum Asylverfahren zu verzögern und die Grenzverfahren in Krisensituationen zu verlängern. Auch im Falle einer so genannten «Instrumentalisierung» können solche Ausnahmen geltend gemacht werden, wenn also ein Drittstaat im Verdacht steht Migrantinnen und Migranten für politische Zwecke aktiv in einen EU-Staat zu schleusen.

Pauschale Inhaftierung an den Grenzen verhindern

Die Mitgliedstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, sich auf die Umsetzung des Paktes vorzubereiten. Caritas Europa fordert sie auf, eine pauschale Inhaftierung an den Grenzen zu verhindern und menschenwürdige Aufnahmebedingungen zu schaffen. Dazu gehört insbesondere eine angemessene medizinische Versorgung und Rechtsbeistand. Nichtregierungsorganisationen muss der Zugang zu Menschen, die sich einem Grenzverfahren unterziehen, gewährt werden. Zudem braucht es eine strenge Überwachung und konkrete Konsequenzen bei Fehlverhalten und Nichteinhaltung von EU-Recht.

Der neue EU-Pakt zu Migration und Asyl wird sich auch sehr direkt auf die Schweiz auswirken, da sie durch die Abkommen von Schengen und Dublin mit der europäischen Migrationspolitik verbunden ist. Daher ist es auch für Caritas Schweiz klar, dass sich der Bundesrat für eine menschenrechtskonforme und humanitäre Umsetzung engagieren muss. Zudem soll sich die Schweiz proaktiv und grosszügig am Solidaritätsmechanismus beteiligen, auch wenn sie rechtlich dazu nicht verpflichtet ist.

«Seit 2014 sind über 30’000 Menschen im Mittelmeer gestorben. Das muss sich ändern, wenn wir wollen, dass die EU ihren Werten gerecht wird. Der Zugang zu fairen und würdigen Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in der EU sowie sichere Wege sind Teil der Lösung.»Michael LandauPRÄSIDENT VON CARITAS EUROPA

Im Hinblick auf die Europawahl hat Caritas Europa das neue Europäische Parlament aufgefordert, eine globale Führungsrolle zu übernehmen, indem es ein einladenderes, in den Menschenrechten verankertes Europa fördert. Die beispiellose Solidarität gegenüber Flüchtlingen aus der Ukraine zeige, was die EU tun könne, wenn ein starker politischer Wille vorhanden sei.

Dazu gehören mehr sichere Wege für Menschen, die sich in Sicherheit und Würde bewegen, arbeiten und niederlassen wollen. Auch die Ausweitung von Resettlement, der humanitären Visa und der Familienzusammenführung sowie der Arbeitsmigration aus Drittstaaten sollte Teil der Lösung sein.

So betont Caritas Europa, dass es an der Zeit ist, den positiven und unverzichtbaren Beitrag der Migrantinnen und Migranten für die europäischen Gesellschaften anzuerkennen, anstatt der Illusion nachzuhängen, dass eine Blockade der menschlichen Mobilität möglich und wünschenswert ist.

Weitere Informationen

Michael Egli

Leiter Fachstelle Migrationspolitik

+41 41 419 22 03megli@caritas.ch

Titelbild: © Lefteris Partsalis