Schnellerer Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene
Wenn vorläufig Aufgenommene ihre Familienangehörigen nachziehen möchten, wird viel von ihnen verlangt und sie müssen diverse Fristen beachten. Nach einem Gerichtsurteil soll nun zumindest die Wartezeit von drei auf zwei Jahre reduziert werden. Ein Erfolg, der allerdings weitere Probleme mit sich bringt, wie die Caritas in ihrer Vernehmlassungsantwort aufzeigt.
Familiennachzug ist eines der wichtigsten und emotionalsten Themen für Migrantinnen und Migranten. Für vorläufig Aufgenommene, die ihre Kinder, die Ehepartnerin oder den Ehepartner zu sich holen wollen, ist dieser Prozess aber mit vielen und grossen Hürden versehen. Aktuell müssen sie drei Jahre warten, bis sie einen Antrag stellen können. Danach haben sie je nach Alter der Familienmitglieder zwischen 12 Monaten und fünf Jahren Zeit, diese nachzuziehen. Sie müssen dabei in der Lage sein, finanziell für die ganze Familie aufzukommen und über eine angemessene Wohnung verfügen. Ist dies nicht der Fall, riskieren sie eine Ablehnung des Gesuchs.
Wartezeit auf zwei Jahren reduziert
In einem Urteil kritisierte der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), dass eine starre Wartezeit von drei Jahren dem Verhältnismässigkeitsprinzip nicht gerecht werde. Als Reaktion darauf hat nun der Bundesrat eine Änderung in die Vernehmlassung gegeben. Neu soll die Wartezeit, bis ein Antrag bewilligt werden kann, von drei auf zwei Jahren reduziert werden. Das sind gute Nachrichten. Denn aus unserer täglichen Arbeit wissen wir, wie belastend eine getrennte Familie für alle Beteiligten ist. Insbesondere wenn Familienmitglieder unter schwierigsten Verhältnissen in Herkunfts- oder Transitländern ausharren. Ein schnellerer Zugang zum Familiennachzug ist darum sehr sinnvoll.
Zeitspanne für Familiennachzug wird verkürzt
Trotz dieser positiven Entwicklung hat die Vorlage eine problematische Kehrseite. Denn in ihrer jetzigen Umsetzung würde sich dies auch negativ auf den Zugang zum Familiennachzug für viele vorläufig Aufgenommene auswirken. Dies, weil durch die Verkürzung der Wartefrist auch die Nachzugsfristen, innerhalb der Familienangehörige nachgezogen werden müssen, früher starten. So blieben beispielsweise für den Familiennachzug einer 13-jährigen Tochter neu lediglich drei Jahre anstelle von bisher vier. Das ist zu kurz, wenn man bedenkt, dass die nachziehende Person in dieser Zeit sowohl eine Arbeitsstelle mit einem genügend hohen Einkommen für die ganze Familie und eine Familienwohnung vorweisen muss. Es wirft ein Schlaglicht auf die vielen Restriktionen, die für vorläufig Aufgenommene gelten. Die Caritas empfiehlt deshalb, die Fristen und Bedingungen grundsätzlich abzuschaffen, oder zumindest zu verhindern, dass es zu einer Verschlechterung kommt.
Die Fristverkürzung auf zwei Jahre wird aber auch den individuellen Situationen nicht gerecht. Oft leben Familienangehörige, viele davon Kinder, unter prekären Umständen. Es fehlt an Einkommen, dem Zugang zur Gesundheitsversorgung und zur Schule. Gerade mit Blick auf das Kindswohl kann es nicht sein, dass in so einem Fall eine starre Wartefrist abgewartet werden muss. Denn der Vorrang des Kindeswohls gilt unabhängig davon, ob sich das Kind in der Schweiz oder im Ausland aufhält. Diesen Umständen muss dringend mehr Gewicht gegeben werden.
Es braucht eine Gleichstellung zu anerkannten Flüchtlingen
Neben diesen Anpassungen fordert die Caritas aber auch ganz generell, dass vorläufig Aufgenommene den gleichen Zugang zu Familiennachzug erhalten, wie anerkannte Flüchtlinge. Denn auch sie sind auf den Schutz der Schweiz angewiesen und auch sie werden in den allermeisten Fällen für immer in der Schweiz bleiben. Ein schneller, effizienter und erleichterter Familiennachzug ist darum im Sinne aller.
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Kontakt
Michael Egli
Leiter Fachstelle Migrationspolitik+41 41 419 22 03megli@caritas.ch
Titelbild: Der Prozess des Familiennachzugs ist oft sehr langwierig und kann eine grosse Belastung darstellen. © Pia Zanetti