Positives Fazit, aber Verbesserungen sind notwendig

Ein Jahr Schutzstatus S für Geflüchtete aus der Ukraine

Über 75'000 Personen haben seit Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine in der Schweiz Zuflucht gefunden. Der Schutzstatus S war massgebend mitverantwortlich, dass die vielen Menschen aus der Ukraine in kurzer Zeit – ohne langwieriges Asylverfahren – in einer guten Art und Weise aufgenommen wurden und sich hier zurechtfinden konnten. Neben diesem insgesamt positiven Fazit wurde aber auch Verbesserungsbedarf sichtbar, sowohl beim Schutzstatus S als auch beim Status F der vorläufigen Aufnahme.

Als wichtiges Element für die erfolgreiche Anwendung des Schutzstatus haben sich die Gastfamilien erwiesen. Die Aufnahmebereitschaft der Schweizer Bevölkerung war eindrücklich. Erstmals hat sich der Bund auf Druck aus der Zivilgesellschaft explizit für die Unterbringung in Gastfamilien stark gemacht. Weit mehr als die Hälfte der 75'000 ukrainischen Geflüchteten konnten privat untergebracht werden.

Für die Behörden sind die Gastfamilien ein Glücksfall. Ohne sie wären die Beherbergungsstrukturen im Asylsystem aus allen Nähten geplatzt. Das Modell der Gastfamilien ist aber kein Selbstläufer. Es erfordert, dass genügend Ressourcen für die Begleitung bereitgestellt werden. Aus Sicht von Caritas Schweiz muss nun geprüft werden, wie Aufnahmen in Gastfamilien auch für andere Flüchtlingsgruppen offenstehen könnten.

Arbeitsmarktzugang ist entscheidend

Der Bundesrat hat richtigerweise entschieden, dass Personen mit einem Schutzstatus ohne jegliche Fristen eine Arbeit aufnehmen dürfen. Das beschleunigt den Prozess umso mehr, als dass Schutzsuchende auch kein langes Asylverfahren abwarten müssen, während dem sie nicht arbeiten können, wie das beispielsweise bei vorläufig Aufgenommenen der Fall ist. Dass sich dies für alle Beteiligten lohnt, belegt die Zahl, dass nach kurzer Zeit bereits 15 Prozent der ukrainischen Geflüchteten im erwerbsfähigen Alter eine Arbeit gefunden haben.

Dies ist als Erfolg zu werten, denn sehr viele Mütter mussten allein mit ihren Kindern fliehen und sahen sich zusätzlich mit den Betreuungsaufgaben konfrontiert. Es bestehen gute Aussichten, dass der Einstieg in den Arbeitsmarkt zunehmend gelingen wird, zumal 94,5 Prozent der Betroffenen eine nachobligatorische Ausbildung mitbringt. Eine Herausforderung ist die sprachliche Integration, auch wenn 40 Prozent der Betroffenen Englisch spricht. Es besteht Bedarf nach Unterstützung im Bereich Sprache und Arbeitssuche.

Wie geht es weiter? Forderungen der Caritas

  1. Reguläre Aufenthaltsbewilligung B nach 2 Jahren

Der Schutzstatus S ist rückkehrorientiert ausgerichtet. Je länger der Krieg dauert, desto mehr gerät auch die Vorstellung der alternativlosen Rückkehr ins Wanken. Wie wir von der vorläufigen Aufnahme wissen, hängt dieser Begriff wie ein Damoklesschwert über den Betroffenen und erschwert die berufliche sowie gesellschaftliche Integration. Die Integration kommt den Personen jedoch sowohl bei einem Verbleib in der Schweiz wie auch bei einer Rückkehr zugute. Deshalb lohnt es sich, da stärker zu investieren. Es braucht klare Perspektiven und Planungssicherheit für die Betroffenen. Caritas Schweiz stellt sich auf den Standpunkt, dass Personen mit Schutzstatus S schon nach zwei Jahren, und nicht wie vom Bund vorgesehen erst nach fünf Jahren, eine reguläre Aufenthaltsbewilligung B erhalten sollen.

  1. Abschaffung der Asylsozialhilfe

Ein unhaltbarer Zustand im schweizerischen Asylsystem wurde in den letzten Monaten in einem neuen Licht sichtbar: Während sich die Sozialhilfe von Schweizerinnen und Schweizer sowie Personen mit einer Aufenthaltsbewilligung am errechneten Existenzminimum der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) orientiert, erhalten ukrainische Schutzsuchende - wie auch vorläufig Aufgenommene - in der Schweiz nur die deutlich tiefere Asylsozialhilfe. Diese variiert je nach Wohnkanton und Familienkonstellation stark und beträgt teilweise gerade mal ein Drittel der regulären Sozialhilfe. Die Asylsozialhilfe reicht für das Leben in der Schweiz nicht aus. Die tiefere Bemessung ist nicht nachvollziehbar, bedeutet für die Betroffenen aber eine grosse Entbehrung und stellt für die gesellschaftliche Teilhabe ein kaum überwindbares Hindernis dar. Die Existenzsicherung soll für alle Menschen in der Schweiz nach den regulären Sozialhilfeansätzen der SKOS geschehen. Die Asylsozialhilfe ist abzuschaffen.

  1. Es ist Zeit für einen humanitären Schutzstatus

Die Einführung des Schutzstatus hat zusätzlich deutlich gemacht, dass es Ungleichbehandlungen von schutzbedürftigen Personen in der Schweiz gibt, je nach Status, den sie erhalten. Für Menschen, die zwar nicht kollektiv aufgenommen werden, aber dennoch aus Kriegs- und Gewaltsituationen wie etwa aus Afghanistan oder Syrien fliehen mussten, gibt es aktuell keinen passenden Schutzstatus. Sie erhalten die dafür ungeeignete und missverständliche vorläufige Aufnahme. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso für sie nicht auch die Regeln gelten sollten, mit denen beim Schutzstatus positive Erfahrungen gemacht wurden. Caritas fordert, dass auch diese Menschen den Zugang zu einem neuen humanitärer Schutzstatus erhalten, der dieselben Rechte vorsieht wie für anerkannte Flüchtlinge: bezüglich Existenzsicherung, Reisefreiheit, Familiennachzug und Arbeitsmarktintegration.

Geschrieben von Andreas Lustenberger

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Titelbild: © Ghislaine Heger