Klima-Versprechungen werden nicht eingelöst
Die Industriestaaten haben sich verpflichtet, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für die internationale Klimafinanzierung bereitzustellen. Damit sollen sie als Hauptverursacher der Klimakrise ihre Verantwortung gegenüber ärmeren Ländern wahrnehmen. Nicht nur wurde dieses Finanzierungsziel bislang verfehlt – auch reichen die politisch festgelegten 100 Milliarden US-Dollar nicht aus, um die tatsächlichen Kosten zu decken. Auch die Schweiz hält ihre Versprechen nicht ein.
Die Staatengemeinschaft diskutiert derzeit hitzig, wie ein neues Finanzierungsziel zur Unterstützung ärmerer Länder bei der Anpassung an den Klimawandel und ihrer Reduktion der Treibhausgasemissionen aussehen kann. Und die Zeit drängt. Nicht nur läuft das derzeitige 100-Milliarden-US-Dollar-Ziel 2025 aus, auch darf keine Zeit verloren werden, um die Klimakrise einzudämmen. Der kürzlich veröffentlichte Synthesebericht des Weltklimarats zeigt den akuten Handlungsbedarf eindrücklich und ruft zu einem Jahrzehnt des Handelns auf.
Jährlich 100-Milliarden-US-Dollar wurden an der UN-Klimakonferenz 2010 in Cancún als politisch machbarer Beitrag festgelegt. Im Pariser Klimaabkommen 2015 wurde das Ziel dann nochmals bekräftigt und die Geltungsdauer bis 2025 verlängert. Bislang jedoch wurde das Finanzierungsziel nicht erreicht. Gemäss OECD fehlten im Jahr 2020 noch immer fast 20 Prozent der versprochenen Gelder. Nebst der Quantität mangelt es auch an der Qualität, denn viele der Mittel werden als Kredite gesprochen und stammen aus bereits bestehenden Budgets für die Entwicklungszusammenarbeit.
Wie weiter nach 2025?
An der UN-Klimakonferenz 2021 in Glasgow wurde vereinbart, dass Gespräche für die Festlegung eines neuen Ziels für die Zeit nach 2025 folgen sollen. Einer dieser Dialoge fand im März am UNO-Sitz in Wien statt. Als Vertreterin der Zivilgesellschaft war Caritas Schweiz auf Einladung des Bundesamts für Umwelt (BAFU) mit dabei. Dass das neue Klimafinanzierungsziel auf den Lehren basieren soll, die aus den Versäumnissen und Fehlern des aktuellen Ziels gezogen werden können, scheint in den Dialogen grösstenteils Konsens zu finden. Anders verhält es sich bei der Frage, wie das Ziel aber genau aussehen soll. Beispielsweise gehen die Meinungen weit auseinander, ob das neue Ziel aus Unterzielen für Mitigation, Klimaanpassung und die Behebung von Schäden bestehen soll.
«Ein absolutes Versagen»
Wie hoch das neue Ziel für die Klimafinanzierung ab 2025 sein wird, ist eine der Kernfragen, die im nächsten Dialog im Juni in Bonn diskutiert wird. Dass 100 Milliarden US-Dollar absolut unzureichend sind, ist dabei bereits heute weitestgehend klar. In Wien nannte der renommierte Wirtschaftsökonom Jeffrey Sachs das 100-Milliarden-US-Dollar-Ziel ein «absolutes Versagen – eine Zahl, die aus der dünnen Luft gegriffen wurde und rein gar nichts mit dem tatsächlichen Finanzierungsbedarf zu tun hat». Dass das neue Ziel nicht im Bereich der Milliarden, sondern Billionen sein muss, erklärt nicht nur Jeffrey Sachs, sondern fordern seit langem viele der am meisten von der Klimakrise betroffenen Länder im Globalen Süden. Die Krux dabei: Das Geld muss nicht nur gesprochen werden, sondern es muss auch zugänglich sein und dort ankommen, wo es benötigt wird. Dies wird im derzeitigen Finanzierungsziel stark bemängelt – auch von Caritas Schweiz. Nicht nur sind Massnahmen, die Menschen konkret helfen, sich an die Klimaveränderungen anzupassen, mit einem Anteil von 28% an der internationalen Klimafinanzierung massiv unterfinanziert. Und das ist kritisch, denn die Auswirkungen der Klimakrise zeigen sich vor allem im Globalen Süden immer dramatischer. Auch erreichen die gesprochenen Mittel kaum zivilgesellschaftliche Akteure, die besonders in der lokal verankerten Klimaanpassung eine zentrale Rolle spielen. Laut Schätzungen des Climate and Development Action Networks kommen nämlich nur 10% der aktuellen Klimafinanzierung auf lokaler Ebene an.
Eine Frage der «Fairness»
Der Beitrag der einzelnen Industriestaaten am derzeitigen 100-Milliarden-Dollar-Ziel richtet sich entsprechend dem Grundsatz aus der Klimarahmenkonvention an der unterschiedlichen Verantwortung (zum Beispiel dem Anteil an globalen Treibhausgasemissionen) und der jeweiligen Möglichkeiten der Staaten (zum Beispiel ihrer Wirtschaftsleistung). Die Länder können dabei aber selbst festlegen, wie hoch ihr «fairer» Beitrag ist – und darin liegt ein grosses Problem. Denn der Beitrag fällt sehr unterschiedlich aus, je nachdem wie die Wirtschaftsleistung und Treibhausgasemissionen gewichtet und berechnet werden.
Auch die Schweiz tut nicht genug
Die Schweiz hat ihr selbst gesetztes Finanzierungsziel von jährlich 450-600 Millionen US-Dollar tief angesetzt. Die Spannweite von 150 Millionen US-Dollar ergibt sich daraus, dass die Schweizer Wirtschaftsleistung und der Anteil an den globalen Emissionen für die Berechnung unterschiedlich gewichtet werden können. Nicht berücksichtigt sind dabei allerdings die im Ausland entstandenen Emissionen für die in der Schweiz konsumierten Güter und Dienstleistungen. Ebenfalls sind Emissionen aus dem Flugverkehr nicht eingerechnet.
Doch selbst das tief angesetzte Ziel ohne Berücksichtigung von Auslandemissionen und Flugverkehr erreicht die Schweiz auf ungenügende Weise: Nur 411 Millionen US-Dollar hat sie 2020 für die internationale Klimafinanzierung ausgegeben. Hinzugerechnet hat die Schweiz an diesen Betrag 106 Millionen US-Dollar an privaten Mitteln, das heisst Gelder von privaten Gebern. Die öffentlichen Mittel für die Klimafinanzierung stammen dabei mehrheitlich aus dem bestehenden Budget der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA). Diese sind für die Entwicklungszusammenarbeit in ärmeren Ländern vorgesehen. Es sind keine zusätzlichen Gelder, wie dies bei der Klimakonferenz in Cancún ausdrücklich beschlossen wurde.
Für Caritas Schweiz ist klar, dass der aufgewendete Betrag nicht der tatsächlichen Klimaverantwortung der Schweiz entspricht, da sowohl die Wirtschaftsleistung als auch die Auslandemissionen unzureichend berücksichtigt sind.
Höchste Zeit zum Handeln
Während die Gespräche und Verhandlungen andauern, drängt die Zeit, um Emissionen zu senken und sich an die gravierenden Auswirkungen der Klimakrise anzupassen. Es braucht nicht nochmals leere Versprechungen, sondern verbindliche Zusagen für rasches und wirksames Handeln:
- Caritas Schweiz fordert, dass sich die Schweiz mit mindestens 1% am internationalen Klimafinanzierungsziel beteiligt. Dies entspricht 1 Milliarde US-Dollar pro Jahr bis 2025. Wir tragen grosse Verantwortung und deshalb müssen wir weit mehr tun als bis anhin.
- Ausserdem darf die internationale Klimafinanzierung nicht auf Kosten der Ärmsten im Globalen Süden gehen. Die Schweiz muss den internationalen Grundsatz einhalten, neue und zusätzliche Gelder für die internationale Klimafinanzierung aufzuwenden. Dafür darf nicht das Budget der Entwicklungszusammenarbeitet verwendet werden, sondern es braucht zusätzliche, verursachergerechte Finanzierungsinstrumente.
- Basierend auf den derzeit stattfindenden vorbereitenden Gesprächen wird das neue Klimafinanzierungsziel dann in seinem Aufbau und seiner Höhe in den darauffolgenden Klimagipfeln verhandelt werden. Die Schweiz soll an den Klimagipfeln mit gutem Beispiel vorangehen und sich zu einer Steigerung der internationalen Klimafinanzierung bekennen. Dazu soll sie den politischen Prozess für die gesteigerte Klimafinanzierung nach 2025 progressiv mitgestalten.
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Titelbild: Mit dem Bau von Rückhaltebecken begegnen diese Bauern in Mali dem Wassermangel infolge des Klimawandels. © Andreas Schwaiger