Javier Pinto (46) aus Bolivien
Nachhaltiges Einkommen in Einklang mit dem Wald
Die ersten Sonnenstrahlen fallen leuchtend durch die Baumriesen im bolivianischen Regenwald von Pando. Javier Pinto ist früh wach und schon auf seinem Feld. Bald wird die Sonne erbarmungslos auf die Erde brennen, da muss der grösste Teil der Arbeit gemacht sein.
Der Bauer ist mit seinem Vater auf dem Feld. Vor einigen Tagen haben sie das Stückchen Land vorbereitet und das Gestrüpp, das dort wuchs, verbrannt. Nun stehen sie auf der verkohlten Erde und pflanzen Zitrusfrüchte und Kochbananen. Die Setzlinge müssen genau in Reih und Glied in den Boden gesteckt werden, so haben sie das bei der Organisation CIPCA gelernt. CIPCA ist der lokale Projektpartner von Caritas Schweiz in Bolivien und berät seit Jahrzehnten die Bäuerinnen und Bauern im Amazonasgebiet in nachhaltiger Landwirtschaft, genauer gesagt in Agroforstwirtschaft (siehe Kasten «Wissenswertes zur Klimaproblematik in Bolivien»).
Junge Zitruspflanzen brauchen Schatten
«Der systematische Anbau ist wichtig», erklärt Javier, «weil die Kochbananen schneller wachsen als die Mandarinen- und Orangenbäume.» Sie geben den sensiblen Zitruspflanzen Schatten und sterben nach zwei bis drei Erntezyklen ab. Danach ist der ganze Platz für die jungen Zitrusbäume, die dann das erste Mal Früchte tragen. Wenn Javier diese nachhaltige Art der Landwirtschaft erklärt ist er ganz in seinem Element. Man spürt die Begeisterung, die Liebe zum Amazonas-Gebiet, in dem er seit über 20 Jahren lebt.
Javier versucht sein Glück im Amazonas-Regenwald
Javier Pintos Geschichte ist wie die von vielen im Norden Boliviens. Er hat nicht immer hier gelebt, sondern kam wie Tausende andere in den 2000er Jahren aus anderen Regionen des Landes nach Pando. Hier boomte das Geschäft mit den Waldfrüchten wie Paranüsse und Acai-Beeren. Auch Javier wollte Sammler werden, obwohl es wegen der Schlangen und Wildtiere im Amazonas kein risikofreies Unterfangen ist, schon gar nicht, weil die Früchte bis zu 20 Meter hoch in den Bäumen hängen.
Javier betätigte sich als Erntehelfer, eine anstrengende Arbeit, denn die Bäume stehen verstreut im dichten Regenwald. Ein Knochenjob. Nach einigen Jahren beschloss Javier mit einigen anderen, die nach Pando zugezogen waren, eine Gemeinde zu gründen. Die Regierung wies ihnen eine Stück Land zur Nutzung zu. Javier erhielt für sich und seine Familie 100 Hektar Regenwald, um ihn zu bewirtschaften.
Seit nun rund 15 Jahren sind Javiers Haupteinnahmequelle die Paranüsse und an zweiter Stelle die Acai-Beeren, die er weiterverarbeitet. Doch weil er mit den Waldfrüchten seine siebenköpfige Familie nicht ernähren konnte, nahm er für einige Jahre an einem Regierungsprogramm teil, das auf die Reisanpflanzung im Amazonas setzt - obwohl dafür der Regenwald gebranntrodet werden muss.
Reisanbau laugt den Boden aus
Bald merkte Javier, dass der Reis zudem den Boden auslaugt und die Nährstoffe verloren gehen. Dann wächst an der Stelle kein Reis mehr. Stattdessen macht sich das schnell wachsende Unkraut Soju breit, das über einen Meter hoch wird und wie Gras aussieht. Es nimmt allem anderen die Kraft und das Licht zum Wachsen. Die Regierung hatte ihm geraten Reis zu pflanzen – doch wie er mit dem Soju umgehen soll, das hat ihm niemand beigebracht. Also stoppte er den Reisanbau wieder.
«Wir brauchen neue Techniken in der Landwirtschaft. Die alten Herangehensweisen kommen mit den heutigen klimatischen Bedingungen nicht mehr klar.»
Klimawandel erschwert die Landwirtschaft zusätzlich
Doch das ist nicht Javier Pintos einziges Problem. Früher verliefen Trocken- und Regenzeit im Grossen und Ganzen immer gleich. Danach richteten sich die Bauern. Bevor der Regen kam, säten sie und ernteten danach. Heute jedoch sind die Trockenperioden aufgrund der klimatischen Veränderungen länger und wenn es regnet, dann oft viel heftiger. Die Zukunft bereitet ihm oft schlaflose Nächte. Ja, er hat ein Stück Wald, das er bewirtschaften kann. Aber was, wenn die Paranussbäume und Acai-Palmen eines Tages gemäss ihrem natürlichen Zyklus absterben? Wie soll er dann seine Familie ernähren? Auf seinem Stück Land, das er von der Regierung hat, wachsen keine neuen Paranussbäume nach.
Wende kommt mit dem Caritas-Projekt
Im Austausch mit anderen Acai-Bauern hörte Javier von der Organisation CIPCA, die in der Region schon einige Gemeinden in nachhaltiger Landwirtschaft beraten hat. Er suchte das Gespräch und bat die Partnerorganisation von Caritas Schweiz, auch in seine Gemeinde zu kommen. Wenig später fand der erste, persönliche Kontakt statt, der Javiers Leben und das vieler anderer Bauern in Pando veränderte.
CIPCA kommt regelmässig vorbei und klärt mit den Bäuerinnen und Bauern offene Fragen und findet Lösungen für Probleme. «Sie stellen uns nicht einfach die Setzlinge hin und lassen uns dann mit den aufkommenden Problemen alleine», sagt Javier Pinto.
So pflanzt Javier Pinto nun Kochbananen- und Zitrusfruchtbäume in Reihen. Zudem weiss er nun, dass er Soju regelmässig von Hand in den ersten Wochen runterschneiden muss, bis die Kochbananenbäume eine gewisse Höhe erreicht haben und der Schatten dem Gras die Sonne zum Wachsen stielt. Zudem lässt er zwischen den Baumreihen Platz, um Mais anzubauen für seine Familie.
Zweites Standbein aufbauen
Mit Hilfe der Regierung bauten Javier Pinto und die anderen Familien der Gemeinde 2010 eine kleine Fabrik zur Produktion von Acai-Paste auf. Javier ist Präsident der Fabrik. «Die Acai-Produktion ist meine Altersvorsorge. Wenn ich mal nicht mehr in der Lage bin die harte Arbeit im Wald zu machen und diese an meine Kinder abgebe, dann habe ich doch noch ein Einkommen», erzählt Javier.
Javier ist nicht nur ein vorausschauender Bauer, sondern auch ein umtriebiger Unternehmer. Unter der Anleitung von CIPCA will er die Firma und die Erzeugnisse noch einen Schritt weiterbringen. Dazu brauchen sie mehr Kenntnisse in Marketing. Ausserdem wollen sie ökologisch produzieren und das Qualitätsniveau der Produkte steigern. Javier träumt von einer Schockgefriermaschine. Er hofft, dass CIPCA ihm und der Firma helfen kann. Denn Javier möchte auch ein besseres Vertriebsnetz aufbauen und die Beeren aus Pando am liebsten in andere Länder exportieren.
Über Javier Pinto, 46 Jahre
Von November bis Februar werden Paranüsse geerntet. Von Februar bis Mai können die Acai-Beeren gepflückt und verarbeitet werden. Neu nutzt er auch die Frucht der Majo-Pflanze, die – den Acai-Beeren sehr ähnlich - auf seinem Grundstück wächst. Deren Gewinnung steht von Juni bis Oktober an.
Pando liegt im Nordosten Boliviens, in der Region 1. Mayo. In dem kleinen Ort auf 207 Metern über dem Meer gibt es Schulen und grundlegende medizinische Versorgung. Zur nächstgrösseren Hauptstadt (Cochabamba) sind es 230 Kilometer.
Er und seine Frau haben fünf Kinder. Er verdient sein Geld als Landwirt, sie arbeitet als Pflegehelferin in einem Spital. Damit sie ihre Kinder in die Schule schicken können, muss die Familie an anderer Stelle sparen. Das Haus ist bis heute ein Rohbau ohne Fenster. Dafür reicht das Geld nicht.
Javier hat schon in vielen Berufen gearbeitet. Neben der Landwirtschaft arbeitet er auch als Maurer. Er ist Präsident der lokalen Amazonas-Früchte-Assoziation, der verschiedene Berufsgruppen der Region Pando angehören. Und er steht in seiner Gemeinde einer kleinen Fabrik zur Verarbeitung der Acai-Beeren vor.
So hilft die Caritas in Bolivien – mit Ihrer Unterstützung
Mit diesen Massnahmen können wir armutsbetroffene Menschen dabei unterstützen, sich dem Klimawandel anzupassen. Ihre Spende ist echte Hilfe zur Selbsthilfe für Familien wie diejenige von Javier.
- Bauernfamilien erhalten als Startkapital verschiedene Pflanzensetzlinge und Samen.
- Die Bäuerinnen und Bauern werden von Caritas-Projektpartner CIPCA in Agroforstwirtschaft-Techniken geschult und begleitet.
- Gemeinsam mit den Gemeinden werden Wald- und Risikomanagementpläne zum Schutz des bolivianischen Amazonas erstellt.
- Die Caritas unterstützt Bauerngruppen dabei, die geernteten Früchte selbst lokal weiterzuverarbeiten.
Wissenswertes zur Klimaproblematik in Bolivien
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Titelbild: Javier Pinto aus Bolivien © Fabian Biasio