Caritas Schweiz
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Im Asylbereich brauchen Kinder besondere Beachtung

Unsicherheit und prekäre Bedingungen prägen das Aufwachsen geflüchteter Kinder

Eine Flucht ist für Kinder immer ein Einschnitt in einer besonders wichtigen Lebensphase. Auch nach dem Ankommen belastet es sie, dass sie über lange Zeit ohne klare Perspektive leben müssen. Aus Sicht der Caritas ist es wichtig, dass Kinder immer und überall mitgedacht werden.

Ein Drittel der Menschen, die in unserem Land um Schutz und Asyl ersuchen, sind minderjährig. Ihre Kindheit ist geprägt von einem dramatischen, nicht selten traumatischen Abschied von der Heimat und der Ankunft in einer neuen, unbekannten Welt. In der Schweiz wachsen sie oft für viele Jahre im Ungewissen auf und wohnen an Orten, die für sie denkbar ungeeignet sind. Unter diesen schwierigen Bedingungen müssen sie all den Ansprüchen gerecht werden, die eine Kindheit und eine Jugend mit sich bringen. Mitten im Asylprozess und untergebracht in Kollektivunterkünften, ist es für sie enorm anspruchsvoll, einen Platz in der Gesellschaft zu finden. Und immer steht die Frage im Raum: Wo werde ich in Zukunft leben?

Die unsichere Zukunft mit dem Schutzstatus S

Für Kinder, die vor dem Ukrainekrieg flüchten mussten, war die schnelle Erteilung des Schutzstatus S enorm wichtig. Das gab ihnen Stabilität. Ein rascher Einstieg in die Schule wurde möglich. Viele von ihnen begegneten in Gastfamilien Offenheit und Interesse und konnten Beziehungen knüpfen. Mittlerweile führt aber der befristete Status, der auf Rückkehr ausgerichtet ist, immer mehr zu Unsicherheit. Denn nach über zwei Jahren ist klar: Ein schnelles Kriegsende ist nicht in Sicht und eine baldige Rückkehr nicht absehbar.

Die Kinder verbringen einen bedeutenden Zeitraum ihrer Kindheit in einer «Übergangsphase», geprägt von der Unsicherheit, wo sie in naher Zukunft leben können und dürfen. Das verstärkt sich besonders, wenn das Ende der obligatorischen Schulzeit naht. Fragen kommen auf: Welche Ausbildung würde ich gerne machen? Was steht mir offen? Und was wäre sinnvoll? Solche Fragen stellen sich auch nicht geflüchtete Jugendliche. Aber die Ungewissheit darüber, wo das Leben in naher Zukunft stattfinden kann und darf, machen sie umso dringlicher.

Der Bundesrat hat einen wichtigen Entscheid getroffen, indem er Jugendlichen mit Schutzstatus S in jedem Fall ermöglicht, die angefangene Ausbildung in der Schweiz abzuschliessen. Aktuell prüft er zudem, ob Personen mit Schutzstatus S eine dauerhafte Aufenthaltsbewilligung ermöglicht werden kann, wenn diese arbeiten. Es ist wichtig, dass dabei die Jungen in einer Ausbildung mitberücksichtigt werden.

Die Einschränkungen der vorläufig aufgenommenen Kinder

Solche Unsicherheiten beschäftigen auch Kinder, die vorläufig aufgenommen wurden. Längst ist klar, dass praktisch alle vorläufig Aufgenommenen nie zurückkehren können und in der Schweiz bleiben. Zwar hat der Bundesrat dieses Jahr weitere Hürden beim Arbeitsmarkzugang abgebaut. Dennoch bleibt die widersprüchliche und problematische «vorläufige Aufnahme» bestehen. Betroffenen Kinder begegnet zum Beispiel viel Skepsis von Lehrbetrieben, da der Ausweis suggeriert, dass sie nur vorübergehend hier bleiben dürfen.

Die vorläufige Aufnahme ist aber auch darüber hinaus mit sehr handfesten Nachteilen verbunden, die das Leben stark einschränken. So müssen ganze Familien weit unter der Armutsgrenze leben, wenn den Eltern der Einstieg in den Arbeitsmarkt nicht gelingt oder sie zu wenig verdienen. Und dies teils über Jahrzehnte. Weil vorläufig aufgenommene Kinder die öffentliche Schule besuchen bedeutet dies, dass sie sich viele Dinge schlicht nicht leisten können, die für ihre Klassenkameraden ganz selbstverständlich sind. Es bedeutet Entbehrung, Erniedrigung und Scham. Aber auch Reisen über die Schweizergrenze hinaus sind für sie nicht möglich, nicht einmal für den Besuch von Verwandten in Deutschland, Frankreich oder Italien.

Der anspruchsvolle Übergang für unbegleitete Kinder

Ein besonderes Augenmerk gilt Kindern, die ohne ihre Eltern in der Schweiz leben. Ihre Betreuung wurde in den letzten Jahren vielerorts verbessert. Im Zuge der Zunahme an Asylgesuchen von unbegleiteten Kindern und Jugendlichen werden die Unterbringungs- und Betreuungsstrukturen stark herausgefordert und es braucht weiterhin viel Effort. Während die jüngeren Kinder meist in Pflegefamilien Platz finden, wohnen die älteren in speziellen Unterkünften, teils in Wohngruppen. Dass Kindheit aber nicht nur Spielen und Entdecken heisst, zeigt sich insbesondere bei den älteren unbegleiteten Kindern.

Es ist der Übergang zum Erwachsen werden. Dies in einem neuen Land und ohne die familiären Strukturen, von denen man sich abgrenzen und sich an ihnen reiben kann. Dem 18. Altersjahr kommt eine grosse Bedeutung zu. Anders als bei einheimischen Kindern verändert diese Schwelle das Leben von jungen Menschen, die unbegleitet geflüchtet sind, auf einen Schlag. Die besondere Betreuung und die geschützten Wohnformen fallen weg und es wird von der nun erwachsenen Person weitgehende Selbständigkeit erwartet. Je nach persönlicher Situation ist es eine enorme Herausforderung, sich ohne Familie im Alltag, aber auch in der Gesellschaft zurechtzufinden.

Kinder ins Zentrum rücken

All diese Beispiele zeigen: Geflüchtete Kinder, ob im Asylverfahren oder mit temporärem Aufenthaltsstatus, ob allein oder mit der Familie in der Schweiz, sie alle haben sehr anspruchsvolle Startbedingungen. Auf die Auswirkungen von Krieg und Vertreibung haben wir wenig Einfluss. Die Aufnahmebedingungen können wir aber anpassen, und sie sind ebenso entscheidend für die Weiterentwicklung der nun hier lebenden Kinder.

Es ist darum wichtig immer an sie zu denken, wenn darüber entscheiden wird, wie die abstrakten Ausweiskategorien ausgestaltet werden, was eine angemessene Existenzsicherung bedeutet, welche Unterkünfte zumutbar sind und was eine klare Bleibeperspektive bedeutet. Denn auch wenn den Kindern die Zukunft gehört, so haben wir es doch in der Hand sie für diese Zukunft bestmöglich zu unterstützen.

Michael Egli

Leiter Fachstelle Migrationspolitik

+41 41 419 22 03megli@caritas.ch

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Titelbild: Caritas Schweiz