

Gewappnet für den Ernstfall: Caritas und Polizei stärken Dolmetsch-Weiterbildung
Ob im Spital, vor Gericht oder bei der Polizei: In heiklen Situationen braucht es eine korrekte Verständigung. Allerdings fehlt es an fachspezifischen Weiterbildungen für Dolmetscherinnen und Dolmetscher. Für das Justizwesen hat Caritas Schweiz eine Lösung parat.
In der Schweiz sind viele Organisationen auf Dolmetscherinnen und Dolmetscher angewiesen. Im Gesundheits-, Sozial-, Bildungs-, Asyl- und Justizwesen kommen sie täglich zum Einsatz und sorgen für eine korrekte Verständigung. Dies ist von grosser Bedeutung – denn ein Missverständnis zwischen Patient und Ärztin oder zwischen Richter und Angeklagter kann schwerwiegende Folgen haben.
An die Dolmetschenden werden daher hohe Anforderungen gestellt. Um Aussagen vollständig, sinngenau und verständlich wiedergeben zu können, müssen sie viele Fachbegriffe und branchenspezifische Abläufe kennen. Nur: Der Mangel an Weiterbildungsangeboten in der Schweiz ist gross, insbesondere im Justizwesen.
Caritas-Workshops sind schnell ausgebucht
Caritas Schweiz ist eine der wenigen Organisationen, die Weiterbildungen in diesem Bereich anbietet. Mitte August startet eine weitere Serie des Kurses «Erfolgreich Dolmetschen bei Behörden und Gerichten» (siehe Box). Die Nachfrage ist so gross, dass die Anzahl Teilnehmenden erhöht werden musste.
Die Weiterbildung umfasst sieben Kurstage mit Kompetenznachweis und mündlicher Abschlussprüfung. Sie ist Teil des Vertiefungskurses, der zum eidgenössischen Fachausweis für interkulturelles Dolmetschen und Vermitteln führt.
Trägerin des nationalen Qualifizierungssystems für Dolmetscherinnen und Dolmetscher in den Einsatzbereichen Asyl, Bildung, Gesundheit, Justiz und Soziales ist die schweizerische Interessengemeinschaft INTERPRET.
Das Besondere an der Weiterbildung ist, dass sie in Zusammenarbeit mit der Luzerner Polizei und der Kantonspolizei St. Gallen durchgeführt wird. Die Fachpersonen der Polizei führen beispielsweise realitätsnahe Übungen in ihren Räumlichkeiten durch oder zeigen auf, wie ein typischer Einsatz abläuft. Für die Caritas ist diese Kooperation sehr wertvoll:
«Dolmetschen lernt man nicht allein aus Büchern. Man braucht Erfahrung in echten oder realitätsnahen Situationen. Genau deshalb sind praxisorientierte Kurse so entscheidend.»Simone BühlerAusbildungsverantwortliche bei Caritas Schweiz
Doch auch für die Polizeikorps ist die Zusammenarbeit ein Gewinn. Sie können die Inhalte der Weiterbildung mitgestalten, ihre Erwartungen einbringen und erhalten direkten Zugang zu neuen potenziellen Dolmetschenden. «Die Polizei hat ein Interesse daran, dass sie auf gut ausgebildete Dolmetscherinnen und Dolmetscher zurückgreifen kann», weiss Simone Bühler.
Appell für mehr Partnerschaften
Umso mehr bedauert die Ausbildungsverantwortliche der Caritas, dass es nicht mehr Partnerschaften gibt, auch in anderen Bereichen wie dem Gesundheits-, Sozial- oder Bildungswesen. Einer der Gründe sei die fehlende Finanzierung. «Die Ausbildung von Dolmetschenden hat in der Politik keine Priorität», sagt Simone Bühler.
In der Folge müssen viele Behörden und Organisationen auf Laien zurückgreifen. Das kann problematisch sein: Muss beispielsweise ein Familienmitglied übersetzen, ist die Neutralität nicht gegeben. Oder springt eine Angestellte ein, die zufällig die gefragte Sprache spricht, kann diese mit sensiblen persönlichen Informationen konfrontiert werden, die nicht für sie bestimmt wären.
Simone Bühler wünscht sich deshalb mehr Engagement und Zusammenarbeit sowie eine Harmonisierung der Institutionen, die auf Dolmetschende angewiesen sind, also eine bessere Koordination und einheitliche Standards.
«Nur wenn sich die involvierten Organisationen aktiv an der Ausbildung beteiligen, können wir die Qualität und Professionalität des interkulturellen Dolmetschens weiter vorantreiben. Davon würden schliesslich alle profitieren.»simone bühler
Geschrieben von Niels Jost, Mitarbeiter Medien- und Öffentlichkeitsarbeit, Caritas Schweiz. Gerne vermitteln wir Interviews und beantworten Medienanfragen:

Medienstelle Deutschschweiz
Livia Leykauf, Leiterin Abteilung Kommunikation; Niels Jost, Mediensprecher; Daria Jenni, Mediensprecherin (v. r. n. l.)+41 76 233 45 04medien@caritas.ch
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Titelbild: Realitätsnahe Übung mit Schutzweste: Fachpersonen der Luzerner Polizei inszenieren einen Einsatz mit einer erfahrenen Dolmetscherin © Niels Jost