Une femme en consultation avec une spécialiste de Caritas.
Une femme en consultation avec une spécialiste de Caritas.

Geflüchtet und arbeitsunfähig: Wie die Caritas den Schwächsten hilft

Kantone an Pilotprojekt interessiert

Oft erhalten geflüchtete Personen, die wegen eines Unfalls oder einer Krankheit arbeitsunfähig sind, nicht die finanzielle Unterstützung, die ihnen zusteht. Caritas Schweiz unterstützt diese Personen. Ein gemeinsames Pilotprojekt mit den Freiburger Behörden zeigt Wirkung – und wird nun ausgeweitet.

In ihrem Heimatland hatte Frau X über 20 Jahre als Näherin gearbeitet. Als sie nach einer kräftezehrenden Flucht in die Schweiz in den Kanton Freiburg kam, wurde sie Opfer häuslicher Gewalt. Frau X entwickelte daraufhin psychische Probleme, die sie arbeitsunfähig machten. Von da an begann ein langes Hin und Her mit der Invalidenversicherung.

Doch von vorne. Mit ihrem Status als anerkannter Flüchtling hat Frau X zwar Anspruch auf eine IV-Rente, weil ihre Invalidität mehr als drei Jahre nach Ankunft in der Schweiz auftrat und die weiteren Versicherungsbedingungen erfüllt sind. Da Frau X Mutter ist und sie seit ihrer Ankunft in der Schweiz nicht gearbeitet hat, ging die IV-Stelle aber vom Erwerbsstatus «Hausfrau» aus.

Bei der Bemessung des Invaliditätsgrades stütze sich die IV-Stelle auf eine Abklärung vor Ort und wandte die sogenannte «spezifische Methode des Betätigungsvergleichs» an. Die IV-Stelle stellte daraufhin einen Invaliditätsgrad von 27 Prozent fest – womit kein Rentenanspruch besteht (der Mindestgrad für eine Rente liegt bei 40 Prozent). Unberücksichtigt blieb damit, dass Frau X nicht freiwillig beschloss, Hausfrau zu sein. Dass sie ihre Tätigkeit als Näherin nicht ausübt, hat ausschliesslich mit ihren schweren gesundheitlichen Problemen zu tun.

IV-Stelle passt Invaliditätsgrad an

Hilfe erhielt Frau X von einem Team von Anwältinnen und Juristen der Caritas Schweiz. Diese hatten umfassende Kenntnis ihrer Migrationsgeschichte und ihres beruflichen Werdegangs. Das Team arbeitete eng mit den Sozialarbeiterinnen und Berufsberatern zusammen, prüfte den Verfügungsentwurf und reichte schliesslich innerhalb der 30-tägigen Frist eine Stellungnahme ein. Sie fochten die für die Bemessung des Invaliditätsgrades angewandte Methode an. Dies wegen rechtlicher Argumente und wegen der im Dossier von Frau X enthaltenen Dokumente und Erklärungen.

Mit Erfolg: Die IV-Stelle änderte ihren Standpunkt. Sie berücksichtigte die frühere Tätigkeit, wandte die «allgemeine Methode des Einkommensvergleichs» an und bestätigte einen Invaliditätsgrad von 100 Prozent. Die Erleichterung war gross: Die frühere Tätigkeit von Frau X sowie die Tatsache, dass sie ihren Beruf wegen der Krankheit nicht mehr ausüben kann, wurden vollumfänglich anerkannt.

Nicht mehr von Sozialhilfe abhängig

Heute ist Frau X dank ihrer Invalidenrente und der Ergänzungsleistungen nicht mehr von der Sozialhilfe abhängig. Hier greift das Subsidiaritätsprinzip: Die Sozialhilfe wird nicht mehr in Anspruch genommen, während ein Anrecht auf Sozialversicherungsleistungen besteht.

Wie bei Frau X konnte die Caritas während der dreijährigen Pilotphase des Projekts in Freiburg bei insgesamt zehn geflüchteten Personen die Anerkennung eines Invaliditätsgrades zwischen 60 bis 100 Prozent erreichen. Diese haben nun Anspruch auf eine Rente und/oder Ergänzungsleistungen und sind nicht länger auf Sozialhilfe angewiesen.

Leider sind nicht alle Interventionen derart erfolggekrönt, aber die Projektziele wurden erreicht: Geflüchtete Personen haben besseren Zugang zu den ihnen zustehenden Sozialversicherungsleistungen und das Subsidiaritätsprinzip wird angewendet. Schliesslich fördert die Anerkennung der Invalidität auch die soziale Integration.

Betreuungslücke schliessen

Das Projekt hat Caritas Schweiz gemeinsam mit der Abteilung Migration & Integration Westschweiz initiiert. Unterstützt wird es vom Sozialamt des Kantons Freiburg. Das Vorgehen stösst nun ebenso im Nachbarkanton Neuenburg auf offene Ohren. Die Pilotphase ist bereits gestartet. Ein weiterer Westschweizer Kanton hat ebenso sein Interesse bekundet.

Die Caritas hofft, dass ihr Projektteam sowohl die Sozialarbeitenden als auch die Sozialversicherungsfachleute unterstützen und ergänzen kann. Möglich ist dies, da das Team die spezifischen rechtlichen Bestimmungen für Geflüchtete kennt und langjährige Erfahrung im Umgang mit Migrationsfragen hat. Dasselbe gilt für die Ärztinnen und Ärzte, mit denen die jeweiligen Dossiers vorbereitet werden. Mit dem Projekt kann die Caritas somit eine kleine, aber wichtige Betreuungslücke schliessen.

Geschrieben von Caroline Jankech

Titelbild: Eine Frau in der Beratung mit einer Fachperson der Caritas © Thomas Plain