Asyl: Engpässe bei der Unterbringung haben diverse Ursachen

Eine Einordnung zeigt: Es liegt auch an einer mangelhaften Planung

Die angespannte Situation im Asylwesen ist aktuell wieder ein heiss diskutiertes Thema. Den Gemeinden, Kantonen und dem Bund fehlt es an Unterkünften und auch die Betreuung ist angesichts des Mangels an Fachkräften eine Herausforderung. Ein genauer Blick auf die Zahlen zeigt aber, dass es zu einfach ist, alles mit der Zunahme an Gesuchen zu erklären. Was es braucht, ist eine langfristige und nachhaltige Planung.

Wenn von der aktuellen Lage im Asylwesen die Rede ist, wird mit dramatischen Schlagzeilen nicht gespart. Sich dabei ein genaues Bild zu machen, ist nicht einfach und auch die allmonatlich publizierten Zahlen vom Staatssekretariat für Migration (SEM) bedürfen einer genauen Einordnung. Beispielhaft zeigen dies die seit Sommer 2023 eingereichten Zweitgesuche von Afghaninnen.

Durch eine Neubeurteilung des SEM bezüglich der Risiken für Frauen in Afghanistan und der dadurch erhöhten Chance, dass Afghaninnen der Flüchtlingsstatus zugesprochen wird. In der Folge stellten viele Afghaninnen ein zweites Gesuch. Ihre Gesuche werden bei den monatlich publizierten Zahlen mitgerechnet, auch wenn sie schon länger in der Schweiz leben und weder zusätzliche Unterbringung noch Betreuung benötigen. Die in den Medien beschriebene Zunahme von Asylgesuchen im März um 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr suggerieren, dass deutlich mehr Menschen in die Schweiz einreisten, um Schutz zu ersuchen. Effektiv ist der Anstieg aber lediglich auf die Zweitgesuche von hier lebenden Afghaninnen zurückzuführen. Die Gesuche von neu Eingereisten blieben auf dem Vorjahresniveau. Um die aktuellen Gesuchszahlen und die Unterbringungssituation genauer zu verstehen, ordnen wir die aktuellen Entwicklungen ein.

Die Situation in den Kantonen und Gemeinden ist angespannt

Nachdem ab 2017 und erst recht während der Covid19-Pandemie nur sehr wenige Menschen in der Schweiz Zuflucht suchten, stiegen die Asylgesuchszahlen ab 2022 wieder deutlich an. In diesen Zeitraum fällt auch der Ausbruch des Ukrainekriegs, als innert vier Monaten über 56‘000 Ukrainerinnen und Ukrainer in der Schweiz Schutz suchten. In den Folgemonaten nahm die Anzahl Einreisen deutlich ab und seit Ende 2022 befinden sich ziemlich konstant um die 65‘000 Ukrainerinnen und Ukrainer mit Schutzstatus S in der Schweiz.

Ukrainische Geflüchtete durchlaufen zwar kein Asylverfahren, auf Unterkunft und den Zugang zu Beratung, Gesundheits- und Bildungsangebote sind sie dennoch angewiesen. Da ukrainische Geflüchtete bis vor kurzem nur wenige Tage in den Bundeszentren blieben, sind es vor allem die Kantone und Gemeinden, die hier gefordert sind. Zusätzlichen Druck brachte, dass der Bund aus Kapazitätsgründen bis Ende 2022 Asylsuchende früher auf die Kantone verteilte. Deshalb ist es auch nachvollziehbar, dass die Unterbringungs- und Betreuungssituation in Kantonen und Gemeinden seither vielerorts angespannt ist.

Notfallplanung statt angemessenen Kapazitäten

Trotz dieser Ausgangslage dürfen aber nicht alle Herausforderungen mit der Zunahme der Asylgesuche begründet werden. Während die Kantone und Gemeinden sowohl für ukrainische wie auch andere Flüchtlingsgruppen Lösungen finden mussten, war der Bund im Jahre 2023 nur sehr bedingt mit der Beherbergung von ukrainischen Geflüchteten konfrontiert.

Er konnte die Bundesasylzentren grösstenteils für die Menschen im Asylverfahren freihalten. Diese sollten gemäss den Unterlagen zur Neustrukturierung des Asylsystems auf Kapazitäten von bis zu 29‘000 Asylgesuche pro Jahr ausgerichtet sein. Die Schweizer Stimmbevölkerung stimmte dieser Neustrukturierung 2016 zu und sie trat 2019 in Kraft. Da von den offiziell 30‘223 Asylgesuchen im letzten Jahr etwa 1‘800 auf besagte Zweitgesuche von Afghaninnen zurückgingen, lagen die effektiven Zahlen mit rund 28‘400 Asylgesuchen im Bereich der Kapazitäten, die bewältigbar sein müssen.

Es braucht eine nachhaltige Planung

Damit soll nicht behauptet werden, dass die verschiedenen Einflüsse wie der Ukrainekrieg, der Anstieg an Asylgesuchen oder auch der Fachkräftemangel zusammen keine besondere Herausforderung sind. Genau so wenig soll aber einseitig nur auf diese Umstände verwiesen werden, um den Engpass bei der Unterbringung zu erklären. Denn statt die versprochenen Kapazitäten bereitzustellen, wurden auf Bundesebene in den Jahren mit wenigen Asylgesuchen Plätze abgebaut.

Die knapp 29‘000 Asylgesuche, auf die das neue Asylsystem seit 2019 ausgerichtet sein sollte, konnten im vergangenen Jahr dann auch nur mit der Eröffnung einer Vielzahl temporärer Unterkünfte bewerkstelligt werden. Dies ist nicht nur administrativ und logistisch aufwendig. Notlösungen machen die ohnehin anspruchsvollen Unterbringungssettings für die Betroffenen noch schwieriger. Besonders wenn man bedenkt, dass gut ein Drittel der Gesuchstellenden Kinder sind, wird klar, dass es bei der Unterbringung um mehr gehen muss als nur um ein Dach über dem Kopf.

Um eine angemessene Unterbringung auch in Zeiten von vielen Asylgesuchen zu ermöglichen, braucht es deshalb eine realistische und langfristige Planung. Auf Schwankungen reagieren zu müssen soll nicht bedeuten, Menschen in angespannten Zeiten unterirdisch unterzubringen. Vielmehr muss die nachhaltige Planung auch in ruhigen Zeiten weiterverfolgt werden, um in turbulenten Phasen bereit zu sein. Wenn nun in Sparplänen die Reduktion der Kosten im Asylbereich propagiert wird und bei neuen Projekten für Asylunterkünfte sich Anwohnende reflexartig dagegen auflehnen, ist dies kein gutes Zeichen. Um aus dem Notfallmodus hinauszukommen, braucht es politischen Willen auf allen Staatsebenen, eine Zivilbevölkerung, die das mitträgt und nicht zuletzt finanzielle Mittel, die nachhaltiges Planen erlauben.  

Geschrieben von Michael Egli, Fachstelle Migrationspolitik

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Titelbild: © Pia Zanetti