Auslandskompensationen lösen keine sozialen Probleme

Caritas sieht bei Klimapolitik innen- und aussenpolitisch Handlungsbedarf

Die Klimapolitik der Schweiz tangiert soziale Fragen im Inland ebenso wie ihre internationalen Verpflichtungen. Statt die beiden Bereiche gegeneinander auszuspielen, ist es sinnvoller, sie gemeinsam zu denken. Als im Inland und Ausland tätige Organisation bezieht die Caritas dazu Position.

In der laufenden Frühjahrssession beschliesst das Parlament in Bern das neue CO2-Gesetz. Der Tatsache, dass die Schweiz von ihren Reduktionszielen für Treibhausgase noch weit entfernt ist, wird mit einer verlockenden Antwort begegnet, den sogenannten Auslandskompensationen. Wenn wir dafür sorgen können, dass in einem anderen Land Treibhausgase reduziert werden, müssen wir hierzulande nicht gar so ambitioniert vorgehen, lautet das Versprechen. In welchem Umfang die Schweiz Auslandskompensationen für ihre Klimabilanz einsetzen darf, ist eine der letzten Differenzen zwischen den Räten vor der Schlussabstimmung zum CO2-Gesetz.

Bei näherer Betrachtung ist klar: Hier wird eine Scheinlösung ins Gesetz geschrieben. Erstens ist die Wirkung von Auslandskompensationen zur Reduktion von Treibhausgasen fraglich und zieht eine Reihe von Problemen mit sich, wie eine Studie der Caritas anhand eines Schweizer Kompensationsprojekts in Peru aufzeigt. Und zweitens verschieben sich damit dringend notwendige Massnahmen zur realen Reduktion unserer CO2-Emissionen, für die wir hier in der Schweiz verantwortlich sind, in die Zukunft.

Fragwürdige CO2-Reduktion im peruanischen Hochland

Wie ist der Nutzen von Auslandskompensationen zu beurteilen? Das wollte Caritas genauer wissen und gab dazu eine Studie zu einem der ersten laufenden Kompensationsprojekte der Schweiz in Peru in Auftrag. Die Resultate sind ernüchternd und irritierend: Peruanische Kleinbäuerinnen sollen mit energieeffizienten Kochöfen dazu beitragen, dass sich hierzulande nichts ändern muss. Sie sind darüber schlecht informiert.

Da der peruanische Staat seit langem Projekte dieser Art umsetzt, ist auch in Frage zu stellen, dass das Projekt tatsächlich zu zusätzlichen CO2-Reduktionen führt. Zudem widerspricht der Ansatz dem Prinzip der Klimagerechtigkeit, wenn die Schweiz ärmere Länder dafür bezahlt, dass sie ihren Treibhausgasausstoss verkleinern, und diese Reduktionen den eigenen Klimazielen anrechnet.

Sozialverträglichkeit heisst nicht, Problemlösungen in die Zukunft zu verschieben

Im Inland haben diese Formen von Auslandskompensationen vor allem eine Wirkung: Sie schieben unumgängliche Veränderungen in die Zukunft. Dies geschieht unter anderem aus der Sorge, dass Massnahmen zur Reduktion der CO2-Emissionen nicht für alle Menschen und wirtschaftlichen Akteure tragbar sein könnten.

Mit der Verschiebung wird dieses Risiko aber nicht kleiner. Nehmen wir Richtungsänderungen bezüglich CO2-Ausstoss erst in einigen Jahren vor, müssen diese entsprechend stärker sein und dürften daher weit einschneidendere Massnahmen erfordern, als wenn wir heute handeln. Zu befürchten ist, dass dabei die Sozialverträglichkeit nicht sichergestellt werden kann. Doch genau dies ist der Wille der Stimmbevölkerung, die im Juni 2023 an der Urne Ja zum Klimaschutzgesetz gesagt hat: Die Klimamassnahmen sollen sozialverträglich umgesetzt werden, heisst es in Artikel 11.

Da beim Verkehr aufgrund des hohen Anteils an CO2-Emissionen grosser Handlungsbedarf besteht, hat Caritas Schweiz in einem kürzlich erschienen Positionspapier Vorschläge unterbreitet, wie eine klimagerechte Verkehrswende auch sozialverträglich ausgestaltet werden kann. Das vermeintliche Heilmittel der Auslandkompensationen entlastet die Schweiz zwar heute davon, sich solchen Fragen zu stellen. Umso dringlicher werden sie aber in Zukunft sein.

Klimagerechtigkeit bedeutet unter anderem, die Verantwortung für die Reduktion von Treibhausgasen nicht an ärmere Länder zu delegieren. Richten wir den Fokus darauf, wie wir unsere Klimaziele mit Massnahmen im Inland erzielen können, dann behalten wir auch die Souveränität darüber, wie dieser Wandel von der gesamten Schweizer Bevölkerung unabhängig vom sozialen Status mitvollzogen werden kann. Das wäre sozialverträgliche Klimapolitik.

Geschrieben von Stefan Gribi, Verantwortlicher Politische Kommunikation, Caritas Schweiz

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