Les requérant-e-s d’asile mineurs non accompagnés ont droit à une protection accrue. Il est donc important que leur statut de mineur soit clairement reconnu.
Les requérant-e-s d’asile mineurs non accompagnés ont droit à une protection accrue. Il est donc important que leur statut de mineur soit clairement reconnu.

Alles hängt vom Alter ab: Jugendliche Asylsuchende unter Druck

Caritas Schweiz erzwingt Praxisänderung

Lange Zeit haben die Schweizer Behörden in Asylverfahren das Alter von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden geändert, ohne diesen Entscheid offiziell mitzuteilen. Für die betroffenen Jugendlichen hatte dies schwerwiegende Konsequenzen. Der Rechtsschutz von Caritas Schweiz konnte nun ein Umdenken bewirken.

Es gibt eine zusätzliche Hürde, die unbegleitete minderjährige Asylsuchende (MNA) im Gegensatz zu Kindern, die mit ihrer Familie in die Schweiz kommen, bewältigen müssen: die Alterseinschätzung. Im Asylverfahren ist dies ein entscheidender Moment. Denn nur Minderjährige haben Anspruch auf besondere Unterstützungsmassnahmen, etwa eine von Erwachsenen getrennte Unterkunft, eine spezielle Betreuung, eine Vertrauensperson, ein altersgerechtes Verfahren und eine schnellere Prüfung des Asylantrags. Wer hingegen als volljährig eingestuft wird, verliert diese Rechte von heute auf morgen.

Die Schutzmassnahmen sind für die Jugendlichen enorm wichtig. Schliesslich befinden sie sich allein in einem fremden Land, nachdem die meisten von ihnen schwere Traumata erlitten haben, sei es durch Krieg, Verfolgung oder die Flucht selbst. All diese schlimmen Erfahrungen in Verbindung mit ihrer Isolation machen sie besonders vulnerabel. Das Völkerrecht schreibt deshalb verstärkte Schutzmassnahmen vor. In der Praxis heisst das: Alles hängt davon ab, ob die Schweizer Behörden die Minderjährigkeit anerkennen oder nicht.

Alle erhalten 1. Januar als Geburtsdatum

Im Asylverfahren verlangt das Staatssekretariat für Migration (SEM) ein fälschungssicheres Identitätsdokument im Original. Liegt ein solches nicht vor, stützt sich das SEM bei der Alterseinschätzung auf eine Befragung des MNA. In manchen Fällen wird auch eine medizinische Untersuchung angeordnet.

Kommt das SEM zum Schluss, dass eine Jugendliche oder ein Jugendlicher in Wirklichkeit volljährig ist, weist es ihr oder ihm ein neues, fiktives Geburtsdatum zu. Dieses wird festgelegt auf den 1. Januar des entsprechenden Jahres, zum Beispiel den 01.01.2007 für eine Person, die im Jahr 2025 für volljährig erklärt wird.

Bevor diese Änderung offiziell vorgenommen wird, können die MNA zwar ihre Argumente vortragen, doch dieses Recht hat weitgehend symbolischen Charakter. In der Praxis ändert das SEM seinen Standpunkt nur in extrem seltenen Fällen.

Ohne Entscheid, keine Möglichkeit auf Rekurs

Plötzlich als erwachsen zu gelten, hat für die Betroffenen spürbare Konsequenzen: Umzug in eine Unterkunft für Erwachsene, der Verlust ihrer Erziehungs- und Vertrauensperson und der Ausschluss von Aktivitäten für Minderjährige. Oft sind auch die Chancen, in der Schweiz bleiben zu können, davon betroffen.

Eigentlich ist das SEM verpflichtet, einen Entscheid mitzuteilen, bevor das Alter eines MNA geändert wird. Doch in der Praxis wurde dies nie eingehalten. Und ohne einen offiziellen Entscheid gab es auch keine Möglichkeit für einen Rekurs. Dies bedeutete, dass die Jugendlichen keinerlei Rechtsmittel hatten, um ihre Minderjährigkeit zu verteidigen.

Ein grosser Durchbruch

Mittlerweile hat sich die Situation verbessert. Der Rechtsschutz von Caritas Schweiz* forderte während Jahren bei jeder Änderung des Geburtsdatums einen formellen Beschluss und drohte andernfalls mit einer Beschwerde wegen Rechtsverweigerung. Das Bundesverwaltungsgericht gab diesen Beschwerden statt, und das SEM war gezwungen, einen offiziellen Entscheid mitzuteilen.

Dieses Vorgehen war zwar ausgesprochen energie- und ressourcenintensiv, zahlte sich aber letztlich aus. Seit 2024 werden dem Rechtsschutz von Caritas Schweiz in der Romandie Entscheide über Altersänderungen fast systematisch mitgeteilt – ein grosser Fortschritt für die Verteidigung der Rechte von MNA. Die Jugendlichen können ihre Minderjährigkeit nicht nur vor dem Bundesverwaltungsgericht verteidigen, sondern gegebenenfalls auch vor dem Bundesgericht.

Es gibt noch viel zu tun

Dennoch: Um einen völkerrechtskonformen Schutz von Minderjährigen bei der Altersbestimmung zu gewährleisten, gibt es noch viel zu tun.

Besorgniserregend sind insbesondere Verstösse gegen das Prinzip der Minderjährigkeitsvermutung (in dubio pro minore), das sich aus Art. 3 Abs. 1 KRK (UN-Kinderrechtskonvention) ableitet. Dieser Grundsatz verpflichtet die Behörden, jede Person als minderjährig zu betrachten und als solche zu behandeln, solange ihr Alter nicht eindeutig und endgültig festgestellt wurde.

Solche Verstösse kommen immer wieder in zwei wesentlichen Phasen des Asylverfahrens vor. Zum einen bei der Alterseinschätzung: Wenn nicht eindeutig festgestellt werden kann, ob eine Person minderjährig oder volljährig ist, betrachten die Behörden sie als volljährig, mit der Begründung, dass diese das angegebene Geburtsdatum nicht ausreichend plausibel machen konnte. Damit wenden die Behörden eine Art Volljährigkeitsvermutung an.

Zum anderen, wenn die für das Asylverfahren zuständige Person den Antragsteller oder die Antragstellerin als volljährig registriert, wird dieser Mensch unmittelbar als volljährig behandelt und zwar ohne einen rechtskräftigen Entscheid abzuwarten. Mit anderen Worten: Die Volljährigkeit tritt sofort in Kraft, ungeachtet davon, ob der Entscheid vorläufig oder anfechtbar ist.

Klar ist: Wenn der Grundsatz der Minderjährigkeitsvermutung ignoriert oder eingeschränkt wird, nimmt man eine mögliche Verletzung der Grundrechte von MNA in Kauf. Und dadurch entzieht man ihnen vorzeitig grundlegende Garantien, die für Minderjährige geltenden.

*Der Bund hat Caritas Schweiz mit der Rechtsvertretung und -beratung in der Romandie beauftragt. Im Tessin und in der Zentralschweiz wird dieses Mandat in Zusammenarbeit mit SOS Ticino durchgeführt.

Geschrieben von Marine Masgonty, Leiterin der Rechtskoordination «Vulnerable Personen», Caritas Schweiz

Gerne vermitteln wir Interviews und beantworten Medienanfragen: medien@caritas.ch

Weitere Informationen

Titelbild: Unbegleitete minderjährige Asylsuchende haben ein Recht auf umfassenden Schutz – nur wird ihr Alter häufig angezweifelt. © Christine Bärlocher / Ex-Press