«Die Schule hilft mir, den Krieg zu vergessen.»
Sidra (10) aus Syrien
«Die Schule hilft mir, den Krieg zu vergessen.»
Sidra (10) aus Syrien


Ein stürmischer Wintertag in Jarba, Region Ost-Ghouta bei Damaskus. Die Kampfhandlungen sind in dieser einst hart umkämpften Gegend seit knapp drei Jahren vorbei. Doch die Zerstörung ist nach wie vor immens, es fehlt an allem. Hier lebt Sidra al-Khoury* mit ihren Eltern und ihren beiden Brüdern in ihrem beschädigten Haus ohne festes Dach oder ausreichende Elektrizität. Sie sitzt im einzigen bewohnbaren Raum und schaut konzentriert in ihr Englisch-Heft. Die Sprache fällt ihr nicht immer leicht, «aber ich übe viel und habe eine Lehrerin, die uns alles sehr gut erklärt», erzählt sie.
Gleich hat das aufgeweckte Mädchen ihre Hausaufgaben für heute beendet. Dann hilft sie ihrem grossen Bruder Walid, der mit einer schweren Hörbehinderung lebt. Wegen des Kriegs und der Armut konnte sie nie richtig behandelt werden. «Ich erkläre ihm alles ganz langsam», sagt Sidra. Sie malt geduldig arabische Wörter in die Luft, Buchstabe für Buchstabe. Stundenlang lernen die beiden gemeinsam auf der schmalen Matratze. Den Lärm des Windes, der unaufhörlich am behelfsmässig befestigten Dach rüttelt, ignorieren sie, so gut es geht. Zu lange konnten sie nicht lernen.
Sidra ist so alt wie der Krieg in ihrem Land, der im März 2011 seinen Anfang nahm. Fünf Jahre ihres Lebens hat sie auf der Flucht verbracht. Sie war eine muntere Zweijährige, als die Kämpfe ihre Strasse erreichten. Sidras Vater erinnert sich genau: «Nie werde ich diesen Tag vergessen. Überall um uns lauerte der Tod.» Hals über Kopf musste die Familie ihr Haus verlassen. Es folgte eine Odyssee durch verschiedene syrische Ortschaften, immer auf der Suche nach genug zu Essen, einem Dach über dem Kopf und etwas Sicherheit. Not, Gewalt und Angst waren ständige Begleiter der Familie. Sie erlebten eine Belagerung: «Meine Frau und meine Kinder waren mehrere Wochen in einem Ort eingeschlossen. Wir wussten gegenseitig nicht voneinander, ob wir überhaupt noch leben», erzählt Mohammad. Tief hat sich das Erlebte auch bei Sidra eingeprägt.
2018, nach Ende der Kämpfe, kehrte die Familie zurück nach Jarba in Ost-Ghouta – und stand vor den Trümmern ihres alten Lebens. Sie müssen weiterhin täglich ums Überleben kämpfen. Fast die gesamte Bevölkerung in Ost-Ghouta ist auf humanitäre Hilfe angewiesen. Mohammad, der mit einer chronischen Lungenerkrankung zu kämpfen hat, schlägt die Familie mit Gelegenheitsjobs durch. «Wenn ich Arbeit habe, haben wir etwas zu Essen – wenn nicht, dann nicht», sagt er. Jeden Tag spürt Sidra die Armut. Sie ist so allgegenwärtig wie die traumatischen Erinnerungen an Angst und Gewalt.
Umso wichtiger ist die Schule. Sie bietet Perspektiven, Platz für Träume, und ist für die Kinder ein Ort des Friedens. Nachdem Sidra, wie fast jedes syrische Kind, auf der Flucht die Schule unterbrechen musste und so mehrere Schuljahre verpasst hat, kann sie nun endlich wieder den Unterricht besuchen. Sie tut alles, um die verlorene Zeit aufzuholen. Das beginnt schon auf dem Schulweg: «Ich trödle nicht, gehe meistens sehr schnell», sagt das lebhafte Mädchen und lacht. Denn sie hat grosse Ziele: «Ich möchte Ärztin werden, um anderen zu helfen.
Sidra ist eine gute Schülerin. Doch das Lernen ist auch für sie nicht einfach: «Vor allem im Winter ist mir in der Schule so kalt, dass ich den Stift kaum halten und mich nicht konzentrieren kann. Viele Kinder werden krank.» Kein Wunder: Ihr Klassenzimmer hat weder Fenster noch Türen. Die Mauern sind voller Einschusslöcher. Im bitterkalten syrischen Winter sitzen Sidra und ihre Freundinnen in dicken Jacken und Schals im Klassenzimmer. Sidra ist froh, dass die Caritas nun die Schule renoviert.
Die Caritas hilft den Kinder auch, das Erlebte zu verarbeiten und vorwärts zu schauen. Traumatisierte Kinder benötigen besondere Unterstützung, um gut lernen zu können. Speziell dafür geschulte Teams besuchen regelmässig Sidras Schule. Sidra mag es besonders, wenn sie gemeinsam zeichnen – ihre grosse Leidenschaft. Auch ihre Freizeit verbringt sie oft mit Stiften und Papier. «Jedes Detail ist wichtig für ein schönes Bild», weiss sie. Wie gerne malt sie sich all die wunderbaren Orte aus, die sie eines Tages besuchen möchte: Zum Beispiel den grossen Garten mit viel Platz zum Spielen. Wo eine schöne, aber nicht zu hohe Schaukel steht: «Damit niemand herunterfällt.» Und wo sie keine Angst vor Minen haben muss.
Langsam wächst Sidras Zuversicht. Entschlossen sagt sie: «Ich werde an die Universität gehen und dann vielleicht ein Spital gründen.»
Jeden Franken, der gespendet wird, kann die Caritas dafür einsetzen, dass Kinder eine Zukunftsperspektive erhalten. Konkret:
Zudem unterstützt die Caritas mit ihrer umfangreichen Hilfe im Rahmen der Syrienkrise die notleidenden Familien in Syrien und den Nachbarländern mit Nothilfe und Einkommensförderung. Auch nach einem Jahrzehnt Konflikt hat die Hilfe nichts an Dringlichkeit verloren.
Psychologische Hilfe
Mit 65 Franken ermöglichen Sie die psychologische Betreuung traumatisierter Kinder.
Infrastruktur
Mit 100 Franken statten Sie ein Klassenzimmer mit Fenstern aus.
Schulmaterial
Mit 125 Franken finanzieren Sie Schulmaterialien für ein Kind.