Die internationale Rechtsordnung anerkennt das Recht auf Bildung seit nunmehr 70 Jahren im Rang eines Menschenrechts. Die UNO-Kinderrechtskonvention legt das Grundrecht jeden Kindes auf Bildung fest. Dabei wird insbesondere die frühkindliche Förderung als essenziell für den Entwicklungsprozess und die volle Potenzialentfaltung des Kindes hervorgehoben. Mit «Frühbildung» ist der Kindergarten gemeint, wie ihn sowohl die Schweiz als auch Bosnien-Herzegowina kennen. Für Kinder aus schwierigen Lebensumständen ist Kindergartenbildung als Vorbereitung auf die Schule sogar noch wichtiger, da sie oftmals keine Förderung zu Hause kennen, weil den Eltern das Bewusstsein und/oder die Ressourcen dafür fehlen.
Laut dem bosnischen Gesetz müssen alle Kinder, bevor sie eingeschult werden, ein Jahr den Kindergarten besucht haben. Im Kanton Zenica-Doboj umfasst der obligatorische Kindergarten 180 Stunden und wird zwischen März und Juli an drei Wochentagen unterrichtet. Im Kanton Sarajewo sieht das Gesetz 150 Stunden obligatorischen Kindergartenbesuch vor. Dieser dauert von September bis Juli, wie das normale Schuljahr, und findet während drei Stunden pro Woche statt. Zusätzlich zum obligatorischen Kindergarten gibt es auch die Möglichkeit, den nicht-verpflichtenden Kindergarten zu besuchen. Dieser wird normalerweise als Halbtags-Kinderhort betrieben und ist kostenpflichtig. Für Kinder aus wirtschaftlich und gesellschaftlich benachteiligten Familien sieht das Gesetz in beiden Kantonen vor, dass Gemeinde- oder Kantonsbehörden die Gebühren auch für den nicht-obligatorischen Kindergarten übernehmen müssen. Die Gemeinden kommen dieser Verpflichtung aber oftmals nicht nach. Und selbst wenn es in den nicht obligatorischen Kindergärten genügend Plätze gäbe, ist für viele Familien in Bosnien diese Art der Kinderbetreuung nicht erschwinglich.
Trotz einigem Fortschritt in den letzten Jahren ist das Bedürfnis nach wie vor sehr gross, wie auch neuste offizielle Erhebungen unterstreichen: Die Anzahl Kinder, die den Kindergarten ordentlich besuchen, ist viel zu klein; Angaben zu Kindern aus besonders benachteiligten Familien fehlen gänzlich wie auch spezifische Angaben zu Kindern der Roma-Minderheit. Diese sind in besonderem Masse von vielschichtiger Ausgrenzung, Marginalisierung und Diskriminierung betroffen. Die Bildungsministerien der Kantone Sarajewo und Zenica-Doboj anerkennen die Bedürfnislage und sind bereit, in Zusammenarbeit mit der Caritas das Problem anzugehen.
Die Gründe für den niedrigen Kindergartenbesuch sind vielfältig: wenig ausgeprägtes öffentliches Bewusstsein gerade in traditionelleren Gesellschaften (e.g. Roma) für die Wichtigkeit des Kindergartenbesuchs für die Kindsentwicklung; mangelhafte staatliche Ressourcen; nicht genug geeignete und sachgerecht eingerichtete Räumlichkeiten; Lehrpersonenmangel; veraltete Lernmethoden.