Entwicklungsprojekte in Eritrea nicht an Bedingungen in der Migration knüpfen

Am 23. Januar 2020 informierte der Bundesrat, dass die Schweiz in Eritrea in den kommenden drei Jahren verschiedene Projekte mit sechs Millionen Franken unterstützen wird. Wie in der Pilotphase seit 2017 wird sie ihre Programme auf das Thema Berufsbildung konzentrieren. Zusätzlich wird die Zusammenarbeit auf Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung (Mikrokredite, Unterstützung der Gründung von Kleinunternehmen usw.) ausgeweitet. Mit ihrem Engagement will die Schweiz die Perspektiven von jungen Eritreerinnen und Eritreern in ihrer Heimatregion stärken.
Mit dem Entschluss, das Engagement in Eritrea fortzusetzen, folgt das Aussendepartement EDA den Empfehlungen einer externen Evaluation. Diese war nach der ersten Pilotphase zur Wiederaufnahme der Entwicklungszusammenarbeit mit Eritrea von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA in Auftrag gegeben worden. Die Evaluation hält fest, dass rund 2’000 Jugendliche von einer besseren Ausbildung profitieren konnten. Allerdings räumt der Bericht ein, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt und die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen nach zwei Jahren schwer zu bewerten seien.
Der Bundesrat informierte ebenfalls, dass das EDA die zuständige Schweizer Botschaft in der sudanesischen Hauptstadt Khartum durch eine zusätzliche Stelle verstärken werde, um den Dialog mit den eritreischen Behörden zu gewährleisten. Zudem hat der Bundesrat beschlossen, die Ernennung eines Sondergesandten für das Horn von Afrika mit einem regionalen Mandat und einem besonderen Schwerpunkt auf Eritrea zu prüfen.
Zweifelhafter Migrationsdialog
Die erneute Präsenz der Schweiz in Eritrea geht auf einen Entscheid des Bundesrats zurück, der die DEZA 2016 beauftragt hatte, die Zusammenarbeit mit Eritrea wieder aufzunehmen. Er reagierte damit auf die humanitären Tragödien in der Migrationskrise 2015, die damit verbundene Zunahme von eritreischen Asylgesuchen in der Schweiz und den wachsenden innenpolitischen Druck, ausgelöst von rechts-bürgerlichen Parlamentarierinnen und Parlamentariern.
Die FDP verlangte in einer Motion 2015 vom Bundesrat, mit Eritrea für eine Wiederaufnahme der Entwicklungszusammenarbeit in Verhandlungen zu treten. Dabei sollte die Entwicklungshilfe an ein Rückübernahmeabkommen gekoppelt werden. Die CVP verlangte in einem Postulat 2015 sogar, Eritrea zu einem «Schwerpunktland» der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit zu machen. Auch hier mit der Absicht, mit dem Regime einen Deal zu vereinbaren, damit möglichst viele Eritreer in ihre Heimat zurückgeschafft werden könnten. Jüngst erhoffte sich die SVP im Rahmen einer Interpellation 2019, dass die Schweiz Eritreer, die in der Schweiz leben, dank eines Rückübernahmeabkommens mit der Einparteien-Regierung von Isayas Afewerki, zurückschafft.
Von Anfang an waren für den Bundesrat mit der Wiederaufnahme der Zusammenarbeit zwei Ziele verbunden: Zum einen wollte man berufliche Kompetenzen von jungen Menschen aus Eritrea in ihrem Herkunftsland stärken, damit sich ihre Lebensperspektiven im eigenen Land verbessern. Zum anderen ging es darum, den Austausch zu Migrationsfragen zwischen der schweizerischen und der Afewerki-Regierung zu vertiefen.
Gerade der zweite Punkt ist aus Sicht der Caritas Schweiz problematisch. Sie hat sich seit jeher auf den Standpunkt gestellt, dass Entwicklungszusammenarbeit unter keinen Umständen nationalen und zweckfremden migrations- und asylpolitischen Zielen untergeordnet werden darf. Entwicklungsmittel dürfen weder zur Stärkung von Grenzschutz und Migrationskontrolle in autoritären Staaten noch als diplomatische Grundlage für den Abschluss von Migrationsabkommen mit autokratischen Regierungen eingesetzt werden.
Aus Sicht der Caritas ist für das DEZA-Engagement in Eritrea entscheidend, dass die Projekte erstens mit verlässlichen Partnerorganisationen vor Ort umgesetzt werden, zweitens einen Mehrwert für die Jugendlichen schaffen und drittens den Handlungsspielraum für die Zivilgesellschaft insgesamt erweitern oder zumindest beibehalten. Das DEZA-Engagement darf hingegen nicht als Ausgangspunkt für Verhandlungen über ein Migrationsabkommen dienen. Die Schweiz müsste eine enge Zusammenarbeit mit dem eritreischen Regime eingehen – ein Regime, dass gerade durch ihre fehlgeleitete, entwicklungsfeindliche und repressive Politik erzwungene Migration ins Ausland erst verursacht.
Prekäre Situation
Die externe Evaluation im Auftrag der DEZA hält fest, dass sich das Land verändere, aber zurzeit niemand sagen könne, in welche Richtung und in welchem Tempo. Insgesamt scheine sich das eritreische Regime für bilaterale Zusammenarbeit etwas zu öffnen. Seit der Wiederaufnahme des Engagements in Eritrea sei die Schweiz in einer besseren Position. «Die Schweiz hat bedeutend mehr Informationen über die lokale Situation als damals, sie hat Zugang zu Regierungsstellen, sie hat eine gewisse Vertrauensbasis geschaffen und damit hat sie im Hinblick auf weitere Entwicklungen ‘einen Fuss in der Tür’».
Während die Evaluation argumentativ hin und her mäandriert und eine insgesamt unklare Einschätzung der Lage in Eritrea präsentiert, spricht das Staatssekretariat für Migration SEM in einem Bericht 2019 zuhanden des European Asylum Support Office Klartext. Der Bericht zeigt, dass Eritrea nicht zu Reformen bereit ist. Menschenrechtsverletzungen und willkürliche Verhaftungen von Regimekritikern bleiben auf der Tagesordnung. Die unbefristete Dauer des Nationaldienstes führt weiterhin zur Flucht aus Eritrea. Auch das vielversprechende Friedensabkommen mit Äthiopien vom Sommer 2018 hat keine Verbesserungen für die Bevölkerung in Eritrea gebracht. Seit April 2019 sind die Grenzen wieder geschlossen und der Friedensprozess ist auf Eis gelegt.
Auch das Hochkommissariat für Menschenrechte der Vereinten Nationen (UNO) kam 2019 zum Schluss, dass die Menschenrechtslage in Eritrea auch nach dem Friedensschluss mit dem Nachbarstaat Äthiopien äusserst besorgniserregend bleibt. «Im vergangenen Jahr haben wir in Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte keine Verbesserung feststellen können», sagte die stellvertretende UNO-Menschenrechtskommissarin im März 2019 im Menschenrechtsrat in Genf. Die dringend nötige Reform des unbefristeten Nationaldienstes, zu dem alle Eritreer verpflichtet sind, sei ausgeblieben. Noch immer komme es in dessen Rahmen regelmässig zu sexueller Gewalt, Folter und Zwangsarbeit. Die UNO-Sonderberichterstatterin für Eritrea wies zudem auf die inakzeptablen Bedingungen für Gefangene hin. Weiterhin würden Eritreer ohne Begründung und ohne Prozess während Jahren eingesperrt.
Schliesslich schreibt selbst der Bundesrat in seinem migrationsaussenpolitischen Bericht 2018, dass bis anhin trotz der Entspannung mit Äthiopien keine konkreten Reformschritte erkennbar sind. Ausserdem habe sich die grundsätzliche Haltung der eritreischen Regierung betreffend Rückführungen nicht geändert. Nach wie vor akzeptiert Eritrea keine zwangsweisen Rückführungen, weder aus der Schweiz noch aus anderen europäischen Staaten.
Asylpolitik immer strikter
In der Schweiz hält das Parlament den Druck auf den Bundesrat hoch, die Asylpolitik gegenüber Eritreern restriktiv zu handhaben. In den vergangenen Jahren hat der Bund die Praxis für Eritreerinnen und Eritreer, die das Asylverfahren durchlaufen, deutlich verschärft. Nach 2016 wurden viel mehr Asylgesuche abgelehnt, ohne die Eritreer vorläufig aufzunehmen.
Gegen ihren Willen kann der Bund allerdings keine Eritreer ausschaffen. Das Land lehnt Zwangsrückführungen aus der Schweiz wie auch aus anderen europäischen Ländern ab. Wenige Weggewiesene reisen freiwillig und kontrolliert aus. Sie erhalten eine Starthilfe von 1000 Franken und eine Projekthilfe von 3000 Franken. Viele bleiben hier oder tauchen ab und versuchen ihr Glück in einem Nachbarland der Schweiz. Viele landen in der Nothilfe. Sie dürfen nicht arbeiten und befinden sich dadurch in einer äusserst prekären Lage.
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